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Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Marni
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schleuderte ihn zu Boden. Wie im Reflex richtete er sich wieder auf und versuchte abzudrücken.
    Torsten feuerte erneut. Ein schwarzes Loch erschien auf Kobners Stirn, und der schwere Mann sackte lautlos zu Boden. Mit der Pistole in der Hand trat Torsten auf den Toten
zu, wurde dann aber durch ein vielstimmiges Geheul hinter sich abgelenkt. Als er sich umdrehte, sah er die Frau, die Kobner getroffen hatte, reglos am Boden liegen, während ihre Begleiter ihren Schmerz und ihre Wut hinausbrüllten.
    Torsten verstand nicht genug Türkisch, um zu verstehen, was die Leute riefen, aber eines war entsetzlich klar: Die junge Frau war tot.
    Einen Augenblick lang starrte er Kobner an, verzichtete aber darauf, ihn zu durchsuchen, sondern packte Claudi und zog sie mit sich. »Verschwindet, ihr Idioten! Die Kerle zerreißen euch sonst in der Luft«, rief er ihren Freunden zu. Während die anderen sich sofort kopflos durch die Menge drängten, blieb Jürgen bei Torsten.
    »Wieso musste dieser Flachkopf schießen? Jetzt wird hier die Hölle losbrechen.«
    Torsten stieß ein paar Türken zurück, die nach ihm und Claudi greifen wollten, und feuerte mehrere Warnschüsse in die Luft. Das verschaffte ihnen genug Raum, um davonzukommen. Hinter ihnen machte die aufgebrachte Menge Jagd auf die Glatzköpfe, die Feilings Aufruf gefolgt waren. Der friedliche Protest, zu dem die muslimischen Verbände aufgerufen hatten, geriet durch den Mord an der Frau aus dem Ruder, und ein Schrei nach Rache hallte durch die Straßen.
    Auf ihrem Weg in Richtung Gärtnerplatz wurden Torsten und seine beiden Schützlinge vom Klirren berstender Scheiben und den Schreien der entfesselten Menge verfolgt, und als sie die U-Bahn-Station erreichten, war der Bahnverkehr eingestellt worden. Daher blieb Torsten nichts anderes übrig, als einem Taxi zu winken. Der Fahrer war dunkelhaarig und an seinem Rückspiegel baumelte ein muslimischer Rosenkranz.
    Als Claudi und Jürgen das sahen, machten sie sich auf dem Rücksitz so klein wie möglich. Torsten setzte sich neben den
Mann und wies ihn an, zum Peschelanger zu fahren. Unterwegs schaltete der Fahrer das Radio ein.
    »Große Demonstration heute«, sagte er dabei zu Torsten.
    Dieser nickte. »Das stimmt.«
    »War auch ’ne Sauerei, das mit der Moschee«, fuhr der Taxifahrer fort.
    »Stimmt!«
    »Die Regierung sollte alle Faschisten einsperren!«
    Der Fahrer schien gewohnt zu sein, viel zu reden, und setzte das Gespräch eifrig fort, während Torsten einsilbig antwortete. Ihm gingen ganz andere Fragen durch den Kopf. Der Glatzkopf, den er niedergeschossen hatte, hatte es unzweifelhaft auf ihn abgesehen gehabt. Er musste verrückt gewesen sein, ausgerechnet hier zu schießen, wo die Gefahr, jemand Unbeteiligten zu treffen, so groß war. Diesen Irrsinn hatte eine junge Türkin mit dem Leben bezahlen müssen. Torsten tat das Mädchen leid, und er bedauerte auch ihre Angehörigen. Wichtig war nun, herauszufinden, wer hinter dem Mörder steckte. Er war sicher, dass der Kerl zu Feiling und Hoikens gehörte. Doch was hatten Claudi und Jürgen mit diesem Mann zu schaffen? Torsten stellte die verwegensten Theorien auf, wie er über seine beiden Begleiter einen Weg zu Hoikens finden konnte. Jetzt ging es nicht mehr nur um Rache für Andrea. Sein Verstand sagte ihm ebenso wie sein Instinkt, dass diejenigen, die an ihrem Tod schuld waren, eine große Sache planten. Wollten Hoikens und Feiling einen Umsturz herbeiführen, der ganz Deutschland betraf? Solche Versuche hatte es bereits in einigen Nachbarländern gegeben, und dreimal hatten betroffene Regierungschefs es mit dem Leben bezahlen müssen. Zwar war der Putsch nirgends gelungen, doch traute er Feiling und Hoikens die Verrücktheit zu, es ebenfalls zu versuchen.

    »Die haben eine junge türkische Frau erschossen!« Die empörte Stimme des Taxifahrers riss Torsten aus seinen Überlegungen, und er sah, wie der Mann auf das Autoradio deutete.
    »Was sagen Sie?«, fragte er, ohne sich anmerken zu lassen, dass er mehr darüber wusste. Seine beiden Schützlinge auf dem Rücksitz hätten sich am liebsten unsichtbar gemacht, als der Reporter live vom Rathaus aus berichtete.
    »Vor etwa einer halben Stunde hat ein Verrückter wahllos in die Menge geschossen, danach ist Chaos ausgebrochen. Unbestätigten Berichten zufolge hat es mehrere Tote gegeben, darunter eine junge Türkin. An verschiedenen Stellen der Stadt ist es bereits zu Straßenschlachten zwischen muslimischen Demonstranten

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