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Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Marni
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haben drei Monate Sonderurlaub und hier nichts zu suchen.«

    Wagners Stimme wurde schärfer. Er hielt große Stücke auf den Leutnant, musste aber verhindern, dass sein Untergebener mit Hoikens einen Privatkrieg führte. Angesichts von Renks Miene fragte er sich jedoch, ob es tatsächlich klug gewesen war, ihm so viel freie Zeit einzuräumen. Das brachte den Mann höchstens auf dumme Gedanken. Er hielt ihn für fähig, während des gesamten Urlaubs durch München zu streifen und Jagd auf den früheren Kameraden zu machen. Zwar wollte er Hoikens ebenfalls aus dem Verkehr gezogen sehen und hatte entgegen seiner Behauptung auch eigene Leute auf den Kerl angesetzt, aber das ging Renk vorläufig nichts an.
    Während Wagner in ein paar Akten blätterte, die auf dem Schreibtisch lagen, meldete Torsten sich im Computer ab und stand auf. »Wenn Sie mich brauchen, Herr Major, finden Sie mich entweder bei Andrea oder im meinem Quartier.«
    Wagner kam zu keiner Antwort, denn in selben Augenblick schellte das Telefon. Der Major hob ab und meldete sich. Danach hörte er nur noch zu. Als er den Hörer wieder auflegte, war sein Gesicht so weiß wie frisch gefallener Schnee.
    »Es tut mir leid, Renk, aber ich glaube, es ist besser, wenn Sie mich jetzt begleiten. Machen Sie sich auf das Schlimmste gefasst!«

VIER
    D ie Tote bot keinen schönen Anblick. Deswegen war Hauptkommissar Trieblinger trotz zwanzigjähriger Erfahrung bei der Mordkommission froh, als die Leiche endlich im Transportsarg lag. Er hielt noch den kleinen Rucksack
in der Hand, dessen Außenhaut bei dem Aufprall aufgeplatzt war und seinen Inhalt auf dem Boden verstreut hatte. Dadurch hatten sie die Tote rasch identifizieren können. Es handelte sich um Andrea Kirschbaum, eine junge Assistenzärztin des Klinikums Neuperlach, die in der vergangenen Nacht bis weit nach vierundzwanzig Uhr gearbeitet hatte. So viel hatte Trieblinger bereits durch Telefonate in Erfahrung bringen können.
    Der Kommissar reichte den Rucksack einer Kollegin und blickte noch oben. Es war von hier unten fast unmöglich, den Balkon der Wohnung zu erkennen, von dem die Frau gefallen war. In letzter Zeit häuften sich Selbstmorde dieser Art in München, und Trieblinger war davon überzeugt, dass es sich auch hier um einen Freitod handelte. Er stellte sich vor, wie die junge Frau nach einem überlangen Arbeitstag müde und ausgelaugt nach Hause gekommen war, zermürbt von dem Elend und Leid im Krankenhaus, dem sie sich nicht gewachsen fühlte, und dem Wissen, dass sie dies nicht länger würde ertragen können. Es reichte eine Sekunde aus, um eine solche Kurzschlusstat zu begehen, und wenn es erst einmal geschehen war, konnte man es nicht mehr rückgängig machen.
    Ein Kollege trat aus der Haustür und kam auf ihn zu. »Und, was ist?«, fragte Trieblinger.
    »Keine Spuren eines gewaltsamen Eindringens. Die Tür oben war ordnungsgemäß abgeschlossen. In der Wohnung selbst war auch nichts zu sehen. Den Rest muss die Spurensicherung herausfinden.«
    »Die ist bereits unterwegs. Aber ich glaube nicht, dass sie etwas finden wird.« Trieblinger blickte auf die Uhr und fluchte leise. »Wir hätten schon seit einer Dreiviertelstunde Feierabend. Wegen dieser hysterischen Henne müssen wir wieder unbezahlte Überstunden schieben.«

    Sein Kollege schüttelte den Kopf. Trieblinger mochte früher einmal ein guter Polizeibeamter gewesen sein, doch fünfundzwanzig Jahre Dienst mit zu vielen und zu langen Nachtschichten hatten ihn ausgehöhlt.
    »Ich glaube, wir können den Tatort verlassen. Dort kommt unsere Ablösung.« Trieblinger zeigte auf einen Polizeiwagen, der langsam durch den Fußgängerbereich auf sie zurollte. Da die Schaulustigen, die sich hinter den Absperrbändern um den Fundort der Leiche drängten, nicht weichen wollten, drückte der Fahrer auf die Hupe und schaltete, als auch das nichts half, die Sirene ein.
    Jetzt schoben die Neugierigen sich zur Seite, und der Polizeiwagen kam neben dem Leichenwagen zum Stehen. Vier Leute stiegen aus. Zwei davon waren Kollegen. Die beiden anderen aber, ein untersetzter Mann mit kantigen Gesichtszügen und ein groß gewachsener, jüngerer Mann mit mürrischer Miene, kannte Trieblinger nicht. Während der Ältere graue Hosen und ein graues Jackett trug, war sein Begleiter mit schwarzen Jeans, einem dunkelblauen Hemd und einer bauschigen schwarzen Lederjacke bekleidet. Sein Haar war kurzgeschoren, und seine durchdringend hellblauen Augen bildeten einen scharfen

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