talon001
langsam. In dem Moment, in dem er erkannte, wen – oder was – er vor sich hatte, ließ er den Hörer des Telefons fallen und griff an den Holster, den er hinter seinem Rücken am Gürtel trug.
Doch noch bevor er den Verschluss lösen konnte, handelte die vermummte Gestalt. Aus dem Schatten ihres Handgelenks löste sich eine fingerlange dünne Klinge. Sie sirrte durch das Zimmer und traf Ahmad Sahim direkt in die Kehle.
Der Araber gurgelte leise auf. Seine rechte Hand hatte sich endlich um den Griff des kleinen Revolvers geschlossen. Blutrote Nebel legten sich über seine Augen. Er spürte nicht mehr, wie drei weitere Klingen in Brust und Bauch drangen.
[23.14 – 00.00.37 – 122.6 – kritisch]
Seine linke Hand tastete noch nach der Lehne des Schreibtischstuhls. Im Fallen riss er den Stuhl mit einem lauten Poltern mit sich um. Sahim war tot, noch bevor sein Körper auf dem Teppich zusammensackte.
Aus dem schnurlosen Telefon klangen hektische Rufe. Eine Stimme rief ständig Sahims Namen, vermischt mit Flüchen und Befehlen.
Die vermummte Gestalt betrachtete den Toten zu ihren Füßen und sondierte die dämmrige Umgebung.
[„Sequenz beendet, Bergstrøm“]
[Bestätigt – Wert 126.8 – Talon--]
[„Moment! Das Bad“]
Talon griff nach einer Klinge.
[Was?! Talon! – 135.1 – abbrechen! Werte kritisch!]
Die hektische Stimme einer Frau erklang hinter der Tür zum Badezimmer. Eine junge Araberin riss die Tür auf. Um ihren nassen Körper hatte sie nur ein knappes Badetuch geschlungen.
„Ahmad? Ist dir etwas – –?“
Sie brauchte nur einen Moment, um die Situation zu begreifen. Ihre Augen weiteten sich beim Anblick des vermummten Mannes erschrocken.
„Allah …“ entfuhr es ihr. Im Treppenhaus waren hastige Schritte zu hören, unterbrochen durch hektische Befehle.
[Störungstörungstörungstörung-]
Talons Körper zuckte unruhig. Die Finger seiner Rechten spielten nervös mit der dünnen Klinge. Sein Blick verschwamm. Er konnte keinen Punkt im Raum mehr fixieren.
[„Bergstrøm, soll ich-?“]
[Abbruch, Talon! Raus!]
Fäuste trommelten gegen die Tür der Suite. Die junge Frau hob die Hände entsetzt vor den Mund. Sie merkte nicht, wie das Tuch von ihrem Körper glitt. Sie hörte auch nicht, wie sie anfing zu schreien.
Die Tür der Suite wurde aufgebrochen. Mehrere Männer stürmten in den Raum. Talon reagierte sofort, rannte zum Balkon der Zimmerflucht, die im achten Stock lag. Behände sprang er ab und schwang sich über das Geländer in die Tiefe.
Der Schrei der Frau verklang hinter ihm in der Nacht.
Der Schrei der Frau war kaum verklungen.
Talon schwang sich über den grob gezimmerten Zaun und landete sicher auf der anderen Seite. Erschrocken drehten die Menschen im Dorf ihre Köpfe oder folgten Talon so schnell sie konnten. Der Unterschied in der Erscheinung hätte nicht größer sein können. Obgleich seine Haut von der Sonne in all den Jahren tief gebräunt worden war, hob er sich dennoch wie ein helles Schemen gegen all die Dorfbewohner ab, die ihm nacheilten.
Der Unterschied war umso deutlicher, da sein athletischer, schlanker Körper von kaum mehr bedeckt wurde als einem groben Lendenschurz. In die Lederriemen, die den Stoff am Körper hielten, war ein Sportmesser mit kräftiger Klinge gesteckt, umwickelt mit etwas Stoff.
Talons rotbraunes Haar hing wild in die Stirn. Entschlossen setze er seinen Weg fort, hastete über den lehmigen, mit Staub bedeckten Boden zum Ufer des Flusses, der sich träge durch dieses Gebiet wand.
Von dort war der Schrei gekommen. Er musste nicht lange suchen. Inzwischen hatte sich eine große Menschentraube am Anlegesteg gebildet. Jeder im Dorf hatte seine Arbeit liegen gelassen und war dem Schrei gefolgt.
Talon schob sich zwischen den Schwarzen hindurch, die ihm bereitwillig Platz machten. Selbst wenn sie in all den Jahren etwas Vertrauen zu ihm gefasst hatten, hielten die meisten doch einen respektvollen Abstand zu ihm ein.
Irgendwann war der Weiße in ihrem Dorf aufgetaucht. Wild, unbeherrscht. Fast, als sei er ein Tier aus jener Savanne, aus der er gekommen war. Doch er hatte kostbare und unbekannte Gegenstände bei sich gehabt. Zumeist antiken Schmuck, dessen Herkunft sich keiner der Einheimischen erklären konnte. Da er sie gegen nicht mehr eintauschte als gegen einfache Tongefäße oder Wasserbehälter, waren die Händler im Dorf mehr als nur bereit, ihn zu akzeptieren. Seitdem Talon erschienen war, hatten es viele von ihnen zu einem
Weitere Kostenlose Bücher