talon008
Ein Grinsen stahl sich auf das müde Gesicht des Mannes. Das Blut des Schattens!
Er wischte sich sein eigenes Blut aus dem linken Auge und spuckte aus. Ein wenig kehrte die Hoffnung zurück. Bisher hatte er nur noch versucht, sich gegen die Angriffe des schwarzen Löwen zu wehren. Aber es war ihm kaum noch möglich gewesen, den Kampf selbst zu bestimmen.
Sie trennten sich voneinander und wichen bis an die äußeren Enden der Plattform zurück. Beide mussten Kraft schöpfen. Nur der schwere Atem durchzog die weite Halle, die in einem diffusen Licht verschwamm.
N’kele betrachtete sich die Szene mit Sorgen. Er hatte den Kopf auf die Brust gesenkt.
„Herr, warum?“, stellte er seine Frage ins Leere. Er verstand nicht, warum Shion so lange mit dem Menschen spielte. Warum er es zuließ, von diesem verwundet zu werden.
Diese Fragen schienen auch den massigen Schatten zu beschäftigen. Sein Körper fühlte sich wieder gestärkt. Der Stein brach knirschend unter jedem Schritt. Er trat vor und sprang Talon mit aller Wucht entgegen.
Dieser war von dem plötzlichen Angriff überrascht und versuchte erneut auszuweichen. Mit einem Sprung warf er sich zur Seite. Doch dieses Mal war der Löwe darauf vorbereitet. Noch im Sprung drehte er den schweren Leib zur Seite. Tief zerfurchten die Krallen Talons ungedeckten Rücken und schleuderten den Mann nach vorne. Dieser überschlug sich mehrmals auf dem Stein und blieb halb besinnungslos liegen. Sein lang gezogener Schmerzensschrei vermischte sich mit dem unruhigen Gebrüll der Löwen, die einen so lange andauernden Kampf nicht erwartet hatten und sein Ende forderten.
Ihr Brüllen drang zu Talon nur wie ein weit entferntes Rauschen. Der Schmerz in seinem Rücken schien seinen ganzen Körper zerreißen zu wollen. Er keuchte heftig und stieß unterdrückt mehrere Flüche aus. Seine linke Hand legte sich auf den Rücken. Unter seinen Fingern spürte er die warme Nässe, die in breiten Bahnen die Haut hinab lief.
Müde kam er aus seiner kauernden Haltung hoch. Seine Beine fühlten sich an, als laufe flüssiges Blei durch ihre Adern. Er fühlte, dass er Shion nichts mehr entgegen zu setzen hatte. Tanzende Lichter explodierten vor seinen Augen. Der Boden neigte sich leicht zu einer Seite hin. Nur mühevoll konnte er seine Augen auf den Gegner richten, der einfach abwartete.
Talons Blick ging hoch zu den Rängen. Die Körper der Löwen verschmolzen zu einer einheitlichen Masse, die hin und her wogte, erfüllt von einem Gewirr Tausender Stimmen.
Shion brüllte erneut auf. Er war bereit, das Spiel ein für allemal zu beenden.
Mit einem Satz warf er sich dem schwankenden Mann entgegen. Talon ging unter dem wuchtigen Hieb schwer zu Boden. Die ganze Welt schien um ihn herum in einen tiefen Schlund zu fallen, aus dem es kein Entrinnen gab. Seine Gedanken versanken in einem zähen, blutigen Nebel.
„Nein!“
Der schwarze Hüne schrie wild auf. „Cht’ye t’a! Kämpfe!“, brüllte er in die Ruinen der zerstörten Vororte von Kairo. Trotz des Chaos, das die ganze Stadt erfüllte, hatte sich in einem weiten Kreis um ihn herum eine Leere gebildet, die von keinem Leben und keinem Klang durchbrochen wurde.
Die große, ovalförmige Narbe auf seiner Stirn leuchtete blutrot auf. Wild schlugen die Arme des Mannes umher. Glühende Muster lösten sich aus den Handflächen. Sie tanzten in einem wilden Spiel durch die stauberfüllte Luft und wischten Sand und Schmutz in dunklen Wirbeln über die Einöde des weitläufigen Grundstücks.
„Shion! Höllenbrut!“, drang es wie ein tiefes Dröhnen aus dem Hals des dunkelhäutigen Mannes. „Ich werde nicht zulassen, dass du gewinnst!“
Seine Gedanken konzentrierten sich, glitten tief über die Welt hinab nach Süden in ein Gebiet, das ihm nur allzu vertraut war. Sie suchten, stießen tiefer vor in die Landschaft und fanden die alten Ruinen, die vergessen zwischen den Baumriesen schlummerten. Wie ein Irrlicht zogen sie durch die verschlungenen Gänge, sahen die Menschen, die hoch über der Arena verweilten, erblickten die unglaubliche Zahl von Löwen, die sich hier versammelt hatten und erreichten dann den Punkt tief unten in der Halle.
Wie Nadeln stießen die Gedanken in Talons Bewusstsein.
Kämpfe, Menschlein! Kämpfe und gewinne!
Tausend Klingen aus glühender Energie bohrten sich in Talons Seele. Einer Welle aus Feuer gleich jagten sie durch seinen Körper, erfüllten jede seiner geschundenen Fasern. Ein Schrei löste sich von den müden
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