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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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hinab, spürte die trockenen Krusten von Vogeldreck und verdorrten Flechten, die unter seinen Fingern abbröckelten. Hinter sich hörte er ein Schluchzen und einen Knall, doch er weigerte sich, zurückzuschauen. Er konnte bis hinab zum Fuß der Treppe sehen, wurde von einem rechteckigen Flecken Mondlicht geleitet, weil die Turmtür offen stand. Hals über Kopf stürzte er hindurch und warf sie zu. Er wartete nicht, ob der Riegel einrastete, und ihn kümmerte nicht, ob ihn jemand hörte. Vom stoßweisen Rasseln seiner Lungen wie betäubt, flüchtete er die nächste Treppe hinab, nahm nur verschwommen wahr, dass sich sein Nachthemd und seine Beine nass anfühlten. Die Erkenntnis, dass er sich benässt hatte, ließ ihn vor seinem Zimmer innehalten. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann es geschehen war.
    Tobin rang frische Tränen zurück und schimpfte sich für eine solche Schwäche. Leise huschte er hinein und lauschte, um sich zu vergewissern, dass Ki noch schlief, dann zog er das besudelte Nachthemd aus und verwendete einen Ärmel und das kalte, im Zuber noch übrige Wasser, um sich zu reinigen. Er holte sich ein anderes Hemd aus dem Schrank und kletterte behutsam zurück ins Bett. Er versuchte, die Matratze nicht zu erschüttern, dennoch erwachte Ki mit einem erschrockenen Keuchen und starrte mit geweiteten Augen zum Fußende des Bettes.
    Bruder stand dort und funkelte ihn finster an.
    Tobin umfasste die Schulter des älteren Jungen und versuchte, ihn davon abzuhalten, laut aufzuschreien. »Hab keine Angst, Ki, er wird dir nichts …«
    Ki drehte sich ihm mit einem zittrigen, kurzen Lachen zu. »Bei Bilairys Hintern, du bist das nur! Einen Augenblick dachte ich, es wäre dieser Geist, der ins Bett kriecht. Kalt genug wärst du ja, um einer zu sein.«
    Tobin schaute zu Bruder, dann zurück zu Ki. Er konnte Bruder nicht sehen, der dort stand und ihn stumm hasste. Er besaß nicht das Auge.
    Dennoch wirkte Ki so verängstigt, als hätte er den Dämon wahrgenommen, als er fragte: »Darf ich dir etwas sagen, Prinz Tobin?«
    Tobin nickte.
    Ki fingerte am Saum der Decke. »Als die alte Iya mir von dem Geist erzählt hat, wäre ich um ein Haar nach Hause zurückgerannt, obwohl ich wusste, dass mein Vater mich grün und blau geprügelt und auf die Straße gejagt hätte. Ich hätte es fast getan. Und dann, als der Geist angefangen hat, heute Abend Dinge umherzuwerfen? Da hätte ich mir beinah in die Hose gemacht, solche Angst hatte ich. Du aber bist nur dagestanden, als wäre gar nichts …« Er schlang die Arme um seine angewinkelten Knie. »Ich denke, was ich sagen will, ist, dass mein Vater keine Feiglinge großgezogen hat. Ich fürchte mich vor nichts, außer vor Geistern. Und selbst mit denen kann ich mich abfinden, um jemand so Tapferem wie dir zu dienen. Wenn du mich noch haben willst.«
    Er denkt, ich würde ihn wegschicken. In jenem Augenblick der Erkenntnis wäre beinah alles aus Tobin herausgesprudelt – alles über Bruder, die Puppe, seine Mutter und das benässte Nachthemd, das in einem Haufen neben der Tür lag. Doch der huldigende Blick in den Augen des älteren Jungen ließ die Worte hinter seinen Zähnen verharren.
    Stattdessen zuckte er nur mit den Schultern und erwiderte: »Jeder fürchtet sich vor ihm, sogar Arkoniel. Ich bin an ihn gewöhnt, das ist alles.« Er wollte Ki versprechen, dass Bruder ihn nie wieder verletzten würde, doch davon war er noch nicht überzeugt, und er wollte nicht lügen.
    Ki rappelte sich auf die Knie und berührte zum Soldatengruß seine Stirn und seine Brust über dem Herzen. »Nun, ich sage trotzdem, dass du tapfer bist, und wenn du meine Dienste annimmst, dann schwöre ich bei Sakor und Illior, dass ich dir bis zum Tode treu ergeben sein werde.«
    »Ich nehme sie an«, gab Tobin zurück und fühlte sich dabei töricht und stolz zugleich. Ki hatte kein Schwert, das er ihm darbieten konnte, also schlugen sie stattdessen darauf ein. Dann ließ sich Ki neben Tobin zurück auf die Matratze plumpsen und vergrub sich unter der Decke.
    So jung Tobin war, er verstand, dass sich soeben etwas Bedeutendes zwischen ihnen ereignet hatte. Bis zum Tode, hatte Ki gesagt. Dies beschwor Bilder von ihnen beiden herauf, wie sie Seite an Seite unter dem Banner seines Vaters auf ein fernes Schlachtfeld ritten.
    Solange die Puppe versteckt blieb. Solange nie jemand herausfand, was sich dort oben im Turm befand.
    Mama ist dort oben, eingesperrt im Turm.
    Das Grauen der Nacht umfing ihn wieder,

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