Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
still und beobachteten das Spiel des Lampenscheins auf den geschnitzten Balken über ihnen. Ki zitterte immer noch.
»Ist dir kalt?«, fragte Tobin und rutschte von einem scharfkantigen Ellbogen weg.
»Dir nicht?«, presste Ki zwischen klappernden Zähnen hervor. »Naja, ich schätze, du bist daran gewöhnt.«
»Woran?«
»Nackt zu schlafen, oder zumindest fast nackt, und nur von einem Menschen neben dir gewärmt zu werden. Wie ich schon sagte, bei uns schlafen meine Brüder und Schwester alle zusammen in den Kleidern. Meist ist das ganz angenehm, vor allem im Winter.« Er seufzte. »Natürlich furzt Amin sehr viel, dadurch wird es viel wärmer.«
Beide Jungen brachen erneut in Gelächter aus und brachten das Bett zum Erzittern.
»Ich habe noch nie jemanden so wie dich reden gehört!«, brachte Tobin schließlich hervor und wischte sich mit dem Deckenzipfel die Augen ab.
»Oh, ich bin ein schlimmer Finger. Da kannst du jeden fragen. He, was ist das?« Er schob Tobins linken Ärmel hoch, um das Geburtsmal in Augenschein zu nehmen. »Hast du dich verbrannt?«
»Nein, das hatte ich schon immer. Vater sagt, es ist ein Zeichen dafür, dass ich weise bin.«
»Tatsächlich? Wie das hier.« Ki wuchtete die Decke beiseite und zeigte Tobin einen braunen Fleck der Größe eines Daumenabdrucks auf seinem rechten Oberschenkel. »Eine Wahrsagerin hat zu meiner Mama gemeint, das sei ein Pechmal, aber bisher hatte ich Glück. Sieh mich nur an – ich bin hier bei dir. Das ist Glück! Meine Schwester Ahra hat eines dieser roten Male wie du auf ihrer linken Titte. Sie hat es mal einem Zauberer unten in Erind gezeigt, und der hat behauptet, es heißt, dass sie quirlig und spitzzüngig ist, deshalb vermute ich, dass er besser verstand, wie man Male deutet. Ahra hat eine Stimme, die Essig zum Gerinnen bringt, wenn sie wütend ist.« Er zog die Decke wieder hoch und seufzte. »Aber meistens hat sie mich gut behandelt. Das ist ihr alter Köcher, den ich mitgebracht habe. Es sind Kerben von plenimarischen Schwertern drin, und es hat einen Fleck, von dem sie behauptet, es sei Blut!«
»Wirklich?«
»Ja. Ich zeige ihn dir morgen.«
Als sie letztlich in den Schlaf glitten, entschied Tobin, dass es vielleicht doch nicht so übel war, einen Gefährten zu haben. Vertieft in Gedanken von Schwestern und Schlachten, bemerkte er den dunklen Schemen nicht, der ungebeten in der gegenüberliegenden Ecke lauerte.
Bruder weckte Tobin irgendwann später durch eine kalte Berührung auf der Brust. Als Tobin die Augen aufschlug, stand der Geist neben dem Bett und deutete durch das Zimmer auf die Truhe, in der die Puppe versteckt war. Tobin spürte Kis warmen, knochigen Körper an dem eigenen, sah ihn jedoch zugleich vor der Truhe knien.
Tobin schauderte, als er beobachtete, wie der Junge den Deckel öffnete, ein paar Dinge herausholte und sie neugierig begutachtete. Tobin wusste, dass es sich um eine Vision handelte. Bruder hatte ihm schön öfter Dinge gezeigt, beispielsweise den sterbenden Fuchs, und sie waren nie schön. Als Ki die Puppe fand, veränderte sich sein Gesichtsausdruck in einen, den Tobin nur allzu gut kannte.
Dann wandelte sich das Umfeld. Tageslicht herrschte. Iya und Arkoniel befanden sich bei Ki, und auch Vater. Sie legten die Puppe auf die Truhe und schnitten sie mit langen Messern auf, und sie blutete. Dann brachten sie die Puppe weg und schauten mit Mienen solcher Traurigkeit und Abscheu zu ihm zurück, dass sein Gesicht zu lodern begann.
Die Vision verblasste, aber die Angst blieb. So sehr ihm vor dem Gedanken graute, die Puppe zu verlieren, der Ausdruck in den Zügen der anderen – besonders in jenen seines Vaters und Kis – erfüllten ihn mit Kummer und Verzweiflung.
Bruder befand sich immer noch neben dem Bett und berührte seine eigene Brust und jene Tobins, und Tobin wusste, dass er ihm etwas Wahres gezeigt hatte. Nari hatte sich nie um die alte Truhe gekümmert. Ki hingegen würde die Puppe finden, und alles würde zerstört sein.
Er lag stockstill, während sein Herz so laut in seinen Ohren pochte, dass er Kis leisen Atem neben sich kaum hören konnte. Was sollte er nur tun?
Schick ihn weg, zischte Bruder.
Tobin dachte daran, wie es sich angefühlt hatte, mit Ki zu lachen, und schüttelte den Kopf. »Nein«, erwiderte er so leise, dass kaum ein Ton seinen Mund verließ. Mehr war nicht nötig. Bruder hörte ihn immer. »Und versuch nie wieder, ihn zu verletzen! Ich muss die Puppe woanders verstecken. An
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