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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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silbrigen Schlieren in ihrem Haar ein rötliches Funkeln. Als sie auf der Straße wild gebrunft hatten, war sie ihm so jung erschienen; hier wirkte sie so alt wie eine Göttin.
    »Das guter Ort«, sagte sie, streifte ihren Mantel ab und ließ das zerrissene Oberteil ihres Kleides von ihren Schultern gleiten, sodass es ihr lose um die Leibesmitte hing. Ihre vollen Brüste schimmerten im Feuerschein, wiesen jedoch keinerlei Anzeichen der Symbole auf, die er zuvor gesehen hatte. Sie griff in einen Korb und bot ihm einen Streifen getrocknetes Fleisch an. Arkoniel nahm es entgegen und starrte weiter auf ihren Körper, während sie sich selbst etwas nahm und zu essen begann. Lhel war schmutzig wie eh und je, und im Verlauf der Jahre hatte sie ein paar Zähne verloren. Diejenigen, die sie noch übrig hatte, waren fleckig und abgenutzt. Und dennoch, als sie sich ihm zuwandte und ihn angrinste, wirkte sie immer noch hübsch, immer noch zutiefst verführerisch …
    Ohne nachzudenken, beugte er sich vor, küsste sie auf die Schulter, sog ihren Duft ein und wollte sie schon wieder. »Wie machst du es, dass ich mich so fühle?«, flüsterte er aufrichtig verwirrt.
    »Wie viele Jahre du sein?«, fragte sie um einen Mund voll schrumpliger Brombeeren herum.
    Arkoniel musste kurz überlegen. »Einunddreißig«, antwortete er schließlich. Für manche Menschen entsprach dies beinah einem ganzen Leben; für einen Zauberer war er noch kaum seiner Jugend entwachsen.
    Mit höhnischer Überraschung zog Lhel die Augenbrauen hoch. »Einunddreißig Jahre keine Frau, und du dich fragen, warum du werden hart?« Sie schnaubte verächtlich und griff unter seinen Kittel, um mit der Hand seinen Schritt zu umfassen. »Du hier haben Macht !« Damit nahm sie die Hand wieder weg und berührte ihn am Bauch, an der Brust, an der Kehle und an der Stirn. »Überall Macht. Manche du kannst nutzen. Du kannst.«
    »Und du bringst mir bei, wie?«
    »Bisschen. Für den Keesa .«
    Arkoniel rückte näher an sie, bis sich sein Bein gegen das ihre presste. »An jenem Tag im Sumpf habe ich dich etwas tun gesehen, was ich lernen möchte. Ich war auf der Straße, und du bist mir durch etwas erschienen, das …«
    Lhel lächelte vielsagend und vollführte mit Daumen und Zeigefinger eine Kneifbewegung. »Ich dich sehen mit deine Krahol .«
    Kurz starrte Arkoniel sie an, dann grinste er verlegen, als er zu verstehen glaubte, was sie mit der Geste ausdrücken wollte. »Mit den Bohnen, meinst du!«
    »Bohnen«, wiederholte sie das Wort. »Du glaube, du sie bewegst …« Eine weitere, weniger deutliche Geste folgte, aber er vermeinte, sie ebenfalls zu verstehen.
    »Du hast also gesehen, wie ich versucht habe, sie zu bewegen. Aber wie?«
    Lhel hob die linke Hand und beschrieb mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis. Dann leierte sie eine Geräuschabfolge herunter, die nicht aus Worten bestehen zu schien, spitzte die Lippen und blies zwischen den Fingern hindurch. Als sie die Hand zurückzog, erblickte Arkoniel ein kleines, schwarzes Loch in der Luft vor ihnen, nicht größer als das Auge eines Pferdes.
    »Schau«, forderte sie ihn auf.
    Arkoniel beugte sich vor, spähte in das Guckloch und stellte fest, dass er Tobin und Ki sehen konnte. Die beiden saßen neben der Spielzeugstadt auf dem Boden, und Tobin versuchte gerade, Ki das Schnitzen beizubringen. »Unglaublich!«, entfuhr es dem Zauberer.
    Lhel stieß ihm jäh den Ellbogen in die Rippen und schloss das Loch mit einer Handbewegung, aber Arkoniel erhaschte noch einen Blick auf zwei erschrockene Gesichter, die im Einklang aufschauten und nach der Quelle des Geräuschs suchten, das für sie aus heiterem Himmel ertönt war.
    »Ich vergaß, dass man mich dadurch auch hören kann«, stieß Arkoniel hervor. »Beim Licht, es ist ein Tunnel in der Luft!«
    »Was sein ›Tunnel‹?«, fragte Lhel.
    Als Arkoniel es ihr erklärte, schüttelte sie den Kopf.
    »Nein, es sein …« Sie machte Zeichen, die, wie er letztlich verstand, das Öffnen der geschlossenen Läden eines Fensters darstellen sollten. »So, mit zwei Seite …« Sie presste die Handflächen fest aufeinander.
    Mit wachsender Erregung grübelte Arkoniel darüber nach. Wenn eine Stimme so mühelos hindurchgelangen konnte, dann musste es doch auch für einen Gegenstand oder sogar einen Menschen möglich sein … Aber als er versuchte, dies Lhel zu erklären, weiteten sich erschrocken ihre Augen.
    »Nein!«, rief sie warnend aus und schüttelte zur Betonung seinen Arm.

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