Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
dennoch war sie klar genug, um ihm einen Anflug von Furcht zu bescheren.
Drei weitere Freunde an die Flammen verloren. Die Bluthunde jagen nach wie vor, haben aber noch keine Fährte gewittert. Kommt Weiß oder Grau, so flieht. Ich wahre Abstand. Möge Illior über euch wachen.
Grau oder Weiß. Arkoniel stellte sich eine Kolonne solcher Reiter vor, die über die Weide heraufkam, und schauderte. Er warf den Brief ins Feuer und sah zu, bis er vollständig verbrannt war.
»Möge Illior auch über dich wachen«, flüsterte er und zerstieß die Asche mit dem Schürhaken zu Staub.
K APITEL 32
Gegen Anfang Gorathin begannen Boten aus Mycena einzutreffen. Von da an lebten die Jungen den ganzen Sommer und den langen, darauf folgenden Winter hindurch von Depesche zu Depesche. Der Herzog schrieb unregelmäßig; jeder Brief wurde gelesen und erneut gelesen und wieder gelesen, bis das Pergament schlaff und eselsohrig war. Der König kehrte über den Winter nach Ero zurück, beließ jedoch den Großteil seiner Streitmacht an der Grenze. Als einer seiner geschätztesten Befehlshaber blieb auch Rhius dort und lagerte mit seinen Armeen am Westufer des Eel. Die Plenimarer taten dasselbe auf ihrer Seite des Flusses, und als der Frühling einsetzte, flammten die Kampfhandlungen wieder auf.
Der darauf folgende Sommer wurde heißer als jeder, an den sich Köchin erinnern konnte. Arkoniel hielt den Unterricht der Jungen bestmöglich aufrecht, während sie ohne Unterlass darüber zeterten, dass der Krieg an ihnen vorbeiging.
Ki wurde am vierten Shemin dreizehn. Mittlerweile brach seine Stimme bei verschiedenen Gelegenheiten auf unberechenbare Weise, und er trug stolz einen leichten Flaum schwarzer Haare auf der Oberlippe.
Tobin würde demnächst zwölf, und wenngleich seine Wangen und seine Oberlippe kahl blieben, hatte er an Größe inzwischen mit Ki gleichgezogen. Beide Jungen waren immer noch langgliedrig und wirkten knabenhaft gebaut, aber endlose Tage mit Reiten, allerlei Knochenarbeit und Waffenübungen hatten ihnen eine drahtige Kraft verliehen, mit der es kein in einer Stadt aufgewachsener Junge aufzunehmen vermocht hätte.
Arkoniel bewunderte unvermindert ihre Verbundenheit. Brüder hätten einander nicht näherstehen können als diese beiden. Tatsächlich schien dem Zauberer, dass sie besser miteinander auskamen als die meisten Geschwister. Trotz des Umstands, dass sie nahezu jede wache Stunde des Tages gemeinsam verbrachten und nachts das Bett miteinander teilten, hörte Arkoniel selten, dass sie ein harsches Wort wechselten. Stattdessen forderten sie einander frohgemut bei jeglichen Unterfangen heraus und deckten einander schamlos, wenn einer von beiden im Haus bei einem Streich ertappt wurde. Arkoniel vermutete, dass Ki hinter dem meisten Schalk steckte, aber es hätte Magie oder Folter bedurft, um einem der beiden die Wahrheit zu entlocken.
Zwei Jahre sorgfältiger Anleitung hatten Ki poliert wie einen feinen Edelstein. Mittlerweile drückte er sich so gewählt wie ein Landfürst aus, und es gelang ihm die meiste Zeit, nicht zu fluchen. Noch war er mit den unfertigen Zügen eines Jungen geschlagen, aber er würde zweifellos zu einem gut aussehenden Burschen heranwachsen, und Arkoniels Einschätzung nach besaß er den Verstand, um es am Hof weit zu bringen, wenn er wollte.
Oder zumindest so weit, wie es einer der mittleren Söhne eines landbesitzlosen Ritters mit der richtigen Schirmherrschaft bringen konnte. Der Titel seines Vaters war wertlos; es würden Rhius oder Tobin sein, die ihn höher beförderten, und selbst dann würde es kein einfacher Aufstieg, es sei denn, Rhius nähme Ki an Kindes statt an – eine unwahrscheinliche Aussicht.
Wäre dies ein gewöhnlicher Haushalt gewesen, hätte sich mittlerweile der Unterschied zwischen den Rängen der Jungen bemerkbar gemacht, doch gewöhnlich war dieser Haushalt in keinerlei Hinsicht. Tobin wusste nichts vom Leben am Hof und behandelte jeden als ihm gleichgestellt. Nari zeterte darüber bisweilen, aber Arkoniel riet ihr, die Jungen gewähren zu lassen. An seinen Verdiensten gemessen war Ki ein Gefährte für einen jungen Prinzen, wie er würdiger kaum sein konnte, und Tobin war endlich glücklich – größtenteils zumindest.
Seine seltsamen Anflüge von Vorahnungen schienen vorüber, und mit Lhels Hilfe hatte er eine Verständigung mit Bruder gefunden. Der Geist war so still geworden, dass Nari manchmal im Scherz meinte, sie vermisse seine Tollereien.
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