Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
Vater?«
Ki grinste. »Wer sonst könnte es sein, wenn er mit so vielen kommt?«
Tobin kletterte über die Steine hinauf und rannte auf die Brücke, um besser zu sehen.
Die von der Sonne aufgeheizten Bretter brannten an seinen Füßen. Ungeduldig tänzelte er eine kurze Weile von einem Bein aufs andere, dann lief er über den Grassaum am Rand der Straße den Reitern entgegen.
»Tobin, komm zurück! Du weißt, dass wir das nicht machen sollen.«
»Ich gehe nur ein Stück!« Als er über die Schulter zurückschaute, sah er Ki auf die Brücke zuhumpeln. Sein Freund deutete auf seinen verletzten Fuß und zuckte mit den Schultern.
Tobins Herz schlug schneller, als er durch die Bäume das Gleißen von Sonnenlicht auf Stahl erblickte. Aber warum näherten sich die Reiter so langsam? Sein Vater nahm die letzte Meile immer im Galopp und wirbelte dabei eine Staubwolke auf, die man über den Wipfeln erkennen konnte, lange bevor die Reiter auftauchten.
Tobin blieb stehen, schirmte mit der Hand die Augen ab. An diesem Tag gab es keine Staubwolke. Unbehaglich setzte er dazu an, loszurennen, sollten es doch Fremde sein.
Als jedoch die ersten Reiter am Fuß der Weide in Sicht gerieten, erblickte Tobin zuvorderst Tharin auf dessen stichelhaarigem Pferd, dicht gefolgt vom alten Laris und anderen. Auch zwei weitere Fürsten befanden sich unter ihnen. Nyanis erkannte er an dessen glänzendem Haar, Solari an dessen buschigem schwarzem Bart und dem grünen und goldenen Mantel.
Die Kämpfe müssen vorüber sein. Er hat Gäste für ein Fest mitgebracht! Tobin stieß einen Jubelruf aus und schwenkte wild beide Arme, während er unter der Gruppe weiter nach seinem Vater Ausschau hielt. Tharin winkte als Antwort zum Gruß, gab seinem Pferd aber nicht die Sporen. Als sie sich den Hügel herauf näherten, sah Tobin, dass der Hauptmann ein Pferd an einer langen Leine führte – Vaters Rappen. Erst da bemerkte Tobin, dass die Mähnen aller Rösser bis dicht an die Hälse gestutzt worden waren. Er wusste, was das bedeutete. Die Männer hatten ihm auf dem Kasernenhof Geschichten darüber erzählt –
Die Luft neben Tobin verdunkelte sich, als Bruder schimmernd in Sicht geriet. Über das Geräusch des Flusses ertönte seine Stimme kaum vernehmlich, dennoch verstand ihn Tobin klar und deutlich.
Unser Vater ist nach Hause gekommen.
»Nein.« Trotzig marschierte Tobin in Richtung der Reiter. Das Herz pochte ihm bis zu den Ohren, und er konnte die Straße nicht unter den Füßen spüren.
Tharin und die anderen zügelten die Tiere, als er sie erreichte. Tobin weigerte sich, ihnen in die Gesichter zu blicken. Er schaute nur auf das Pferd seines Vaters und die über den Sattel festgezurrten Gegenstände: Kettenhemd, Helm, Bogen. Und ein länglicher Tonkrug in einem Netz.
»Wo ist er?«, verlangte Tobin zu erfahren, der inzwischen auf einen abgewetzten, leeren Steigbügel starrte. Seinen Stimme klang in seinen Ohren beinah so matt wie die von Bruder.
Er hörte, wie Tharin abstieg, spürte die großen Hände des Mannes auf den Schultern, Aber er hielt die Augen weiter auf den Steigbügel gerichtet.
Tharin drehte ihn behutsam herum, ergriff sein Kinn und ließ ihn zu sich aufschauen. Seine blassblauen Augen wirkten rot gerändert und voller Gram.
»Wo ist Vater?«
Tharin ergriff etwas aus seinem Gurtbeutel, etwas, das schwarz und golden im Sonnenlicht glänzte. Es war Vaters Eichenholzsignet an dessen Kette. Mit zitternden Händen hängte Tharin es Tobin um den Hals.
»Dein Vater ist in der Schlacht gestorben, mein Prinz, am fünften Tag des Shemin. Er ist tapfer gefallen, Tobin. Ich bringe dir seine Asche nach Hause.«
Tobin schaute zurück zu dem Krug im Netz und begriff.
Am fünften des Shemin? Das war der Tag nach Tobins Namenstag. Wir waren schwimmen. Ich habe zwei Waldhühner erlegt. Wir haben Lhel getroffen. Wir wussten es nicht.
Mittlerweile stand Bruder neben dem Pferd und berührte mit einer Hand den staubigen Krug. Ihr Vater war seit fast einem Monat tot.
Du hast mir einst von einem sterbenden Fuchs erzählt, dachte er und starrte Bruder ungläubig an. Und davon, dass Iya kam. Aber nicht, dass unser Vater tot ist?
»Ich war auch dabei, Tobin. Was Tharin sagt, ist wahr«, ergriff Fürst Solari das Wort. Er stieg ab und stellte sich neben ihn. Tobin hatte den jungen Fürsten immer gemocht, doch nun konnte er auch ihn nicht ansehen. Als der Mann weitersprach, hörte er sich weit entfernt an, obwohl Tobin seine Stiefelspitzen
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