Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
ihnen entgegen, als sie gerade die Brücke überquerten, und ihr finsterer Blick ließ alle drei innehalten. »Prinz Tobin, wer ist das und was macht sie hier?«
»Kis Schwester«, antwortete er. »Du weißt schon, diejenige, die versucht hat, mit dem Pferd über den Schweinepferch zu springen und hineingefallen ist.«
»Ahra, richtig?« Naris Tonfall hörte sich schlagartig sanfter an.
Ahra funkelte Ki an. »Hast wohl Geschichten über mich erzählt, wie?«
Nari lachte. »Und ob! Du wirst feststellen, dass Ki keine Geheimnisse übrig gelassen hat. Komm herein, Mädchen, und iss mit uns. Köchin wird sich freuen, wieder eine Frau in Rüstung zu sehen!«
Sie lauschten gerade, wie Köchin und Ahra Geschichten über Kämpfe austauschten, als Arkoniel hereinkam. In seinem Gesicht prangte jene verklärte, zufriedene Miene, die er immer hatte, wenn er alleine bei Lhel gewesen war.
Das änderte sich schlagartig, als er Ahra erblickte. Er wirkte darob noch unerfreuter als zuvor Nari, bis Ahra ihm Iyas Brief reichte.
»Na ja, wenn sie dich geschickt hat«, murmelte er. »Ich schätze, ich hätte Ki mal an seine Mutter schreiben lassen sollen.«
»Das würde nichts bringen«, entgegnete Ahra voll steifer Würde. »Von uns kann keiner lesen.«
Ki errötete, als wäre er bei etwas Unstatthaftem ertappt worden.
»Was kannst du uns über den Krieg berichten?«, fragte Tobin.
»Die letzten Neuigkeiten, die ich gehört habe, sind einen guten Monat alt. Der König hat sich in Nanta mit den mycenischen Ältesten getroffen, und eine Flotte ist die Küste hinabgesegelt, um den Kampf mit den Plenimarern an der Grenze aufzunehmen. Von Eurem Vater, Prinz Tobin, habe ich nur in höchsten Tönen reden gehört. Dem Vernehmen nach ficht er bei jeder Schlacht in den vordersten Rängen und gilt als des Königs rechte Hand.«
»Bist du unlängst in der Hauptstadt gewesen?«, erkundigte sich Arkoniel.
Ahra nickte. »Wir sind vor einer Woche dort durchgereist. Zwei Schiffe wurden vor Anker verbrannt, als der Hafenmeister an Bord die Pest fand. Als sich herausstellte, dass ein paar der Seeleute bereits an Land und in eine Schänke gegangen waren, kamen die Todesvögel, haben die Schänke mit ihnen darin zugenagelt und sie als Seuchenbringer verbrannt.«
»Was sind Todesvögel?«, wollte Tobin wissen.
»So etwas wie Heiler«, antwortete Arkoniel, wenngleich seine angewiderte Miene seine Erklärung Lügen strafte. »Sie reisen durchs Land und versuchen, die Pest davon abzuhalten, über die Häfen einzudringen. Sie tragen Masken mit langen Fortsätzen an der Vorderseite, die wie Schnäbel aussehen. Der Schnabelteil ist mit Kräutern gefüllt, um die Seuche zu bannen. Deshalb nennen die Menschen sie Todesvögel.«
»Außerdem schwirren jede Menge Spürhunde umher und stiften Unruhe«, fuhr Ahra fort, und Tobin wusste wieder nicht, was sie meinte. Er bemerkte nur, dass sie von diesen Spürhunden offenbar wenig hielt.
»Hat es in der Stadt weitere Hinrichtungen gegeben?«, verlangte Arkoniel zu erfahren.
Ahra nickte. »Drei weitere, einer davon ein Priester. Den Menschen gefällt das nicht sonderlich, aber niemand wagt es, etwas gegen sie zu sagen, nicht seit den Verhaftungen vor ein paar Monaten.«
»Genug davon«, meldete sich Köchin zu Wort. »Ich könnte mir vorstellen, dass die Jungs gerne sehen würden, wie eine Frau kämpft, meinst du nicht? Du bist die Erste, die Prinz Tobin je in Rüstung gesehen hat.«
Und so ließen sie Ahras Besuch mit einem Schwertschaukampf auf dem Kasernenhof ausklingen. Ahra focht hart und schmutzig und zeigte den Jungen ein paar neue Möglichkeiten, einen Gegner zum Stolpern zu bringen oder einen Schlag mit dem Handrücken zu versetzen.
»Es geziemt sich nicht, dem Neffen des Königs so etwas beizubringen!«, wand Nari ein, die das Geschehen in sicherem Abstand beobachtete.
»Nein, lass sie ruhig«, entgegnete Köchin. »Im Gefecht schert sich niemand um Titel oder Geburtsrechte. Da kann ein junger Krieger ein paar Finten im Ärmel durchaus gebrauchen.«
Arkoniel blieb indes in der Küche und prägte sich Iyas Brief ein, damit er ihn verbrennen konnte. Jedem anderen wäre das Schreiben lediglich als eine ausschweifende Aufzählung von Menschen erschienen, denen Iya bei ihren jüngsten Reisen begegnet war. Als Arkoniel jedoch die richtigen Worte darüber murmelte, versilberte der Zauber bald hier, bald da ein paar Buchstaben und offenbarte die wahre Botschaft. Auch sie blieb noch geheimnisvoll,
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