Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
Zeit zu lassen, aber er hat nichts darauf erwidert. Jedenfalls könnte ich mir denken, dass er Tobin nicht zu lange außerhalb seiner Reichweite belassen will.«
»Was meinst du damit?«
Tharin antwortete nicht sofort, sondern starrte zunächst auf die Rehe. Schließlich seufzte er und sagte: »Ich kannte dich schon als Junge, als du und Iya häufig Gäste in Atyion wart. Seit du hier bist, habe ich den Mann kennen gelernt, der du geworden bist. Ich habe dich immer gemocht, und ich glaube, ich kann dir vertrauen, erst recht, wenn es um Tobin geht. Deshalb bin ich im Begriff, mein Leben in deine Hände zu legen.« Er drehte sich herum und sah Arkoniel in die Augen. »Aber bei den Vieren, falls ich mich irre, wirst du mich töten müssen, um mich von deiner Spur abzubringen. Verstehen wir einander?«
Arkoniel wusste, dass dies keine leere Drohung darstellte. Allerdings hörte er hinter den harschen Worten des Mannes auch Angst, und zwar nicht um ihn selbst, sondern um Tobin.
Arkoniel hob die rechte Hand und drückte sich die linke aufs Herz. »Bei meinen Händen, meinem Herzen und meinen Augen, Sir Tharin, ich schwöre dir, dass ich mein Leben geben werde, um Rhius’ und Arianis Kind zu beschützen. Was willst du mir sagen?«
»Und ich habe dein Wort, dass du niemandem davon erzählst?«
»Iya und ich haben keine Geheimnisse voreinander, aber für sie kann ich mich genauso verbürgen wie für mich selbst.«
»Na schön. Ich habe ohnehin sonst niemanden, dem ich mich anvertrauen kann. Zunächst mal glaube ich, dass der König Rhius tot sehen wollte. Ich denke sogar, er könnte die Hand dabei im Spiel gehabt haben, dass er getötet wurde.«
Arkoniel besaß nicht allzu viel Erfahrung mit dem Hof, dennoch war ihm klar, dass Tharin sein Leben tatsächlich in seine Hände gelegt hatte, gleich doppelt. Trotzdem zögerte der Hauptmann nicht, als er fortfuhr. »Seit die Prinzessin gestorben ist, hat Erius den Herzog ständig in die schlimmsten Getümmel jeder Schlacht geschickt. Auch Rhius sah das, aber er besaß zu viel Ehre, um es zu sagen. Aber einige der Befehle, die wir befolgten, waren rundweg tollkühn. Hunderte brave Krieger Skalas würden in Atyion und Cirna noch aufrecht stehen und atmen, hätte der König seine Angriffe etwas sinnvoller ausgeführt. Am Tag, als Rhius getötet wurde, entsandte Erius uns zu Pferde ins Sumpfland. Dort wurde uns aufgelauert, als wir am gegenüberliegenden Ende versuchten, aus dem Matsch zu gelangen.«
»Wieso glaubst du, der König könnte etwas damit zu tun gehabt haben?«
Tharin beachte ihn mit einem verbitterten Lächeln. »Du weißt nicht viel über Reiterei, was, Zauberer? Man schickt Reiter im Sommer nicht in solches Gelände, wo es keinen vernünftigen Halt auf dem Boden und keinerlei Deckung gibt. Erst recht nicht, wenn es mehr als wahrscheinlich ist, dass sich der Feind auf der anderen Seite in Gräben verbirgt und auf herannahende Gegner lauscht. Ein Pfeil traf Rhius in den Oberschenkel, bevor wir auch nur in die Nähe festen Untergrunds gelangten. Ich bekam einen Schaft in die Schulter, und ein weiterer hat mein Pferd unter mir getötet. Ich bin gestürzt, er ist weitergeprescht – es war ein verdammtes Gemetzel. Es müssen um die zwei- oder dreihundert Fußsoldaten und Bogenschützen gewesen sein, und wenn sie nicht auf uns gewartet haben, dann hat jemand seine Streitkräfte verflucht schlecht eingesetzt. Trotz der Pfeilwunde hat Rhius gekämpft wie ein Wolf, aber Laris hat mir erzählt, dass ein Pikenstreiter das Pferd der Herzogs getötet und ihn zu Fall gebracht hat. Rhius wurde unter dem Tier eingeklemmt, und der Feind hat sich mit Äxten auf ihn gestürzt, bevor – bevor ich zu ihm gelangen konnte.«
Eine Träne rollte Tharin über die Wange und verfing sich in den Stoppeln, die darauf prangten. »Das Leben entwich bereits aus ihm, als wir ihn fanden. Wir haben ihn weggebracht, aber es gab nichts mehr, was wir tun konnten.«
Weitere Tränen fielen, doch Tharin schien sie nicht zu bemerken. Etwas verriet Arkoniel, dass sich der Mann daran gewöhnt hatte zu weinen. »Rhius konnte spüren, dass Bilairy unterwegs war, um ihn zu holen. Er zog mich dicht zu sich hinab und sprach so leise, dass nur ich ihn hören konnte. Die letzten Worte seines Lebens waren: ›Beschütz mein Kind mit deinem Leben, mit allen Mitteln. Tobin muss über Skala herrschen.‹«
Arkoniel stockte der Atem in der Brust. »Das hat er zu dir gesagt?«
Tharin sah ihm in die Augen und
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