Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
hielt seinen Blick gefangen. »Zu dem Zeitpunkt dachte ich, es läge am Tod, der seine Gedanken verwirrte. Aber wenn ich dir jetzt so ins Gesicht schaue, bin ich geneigt, meine Meinung zu ändern. Weißt du, was er damit gemeint hat?«
Vertrau deinen Instinkten, hatte Iya ihm geraten, bevor sie aufgebrochen war. Diese Instinkte hatten ihn schon immer dazu gedrängt, Tharin zu vertrauen. Trotzdem fühlte sich Arkoniel wie ein Mann vor dem Sprung von einer hohen Klippe, unter der er nur Nebel erkennen kann. Das Geheimnis stellte eine Gefahr für jeden dar, der es kannte.
»Ja. Das und nur das ist es, wofür Iya und ich gearbeitet haben, seit Tobin geboren wurde. Aber du musst mir ehrlich sagen: Kannst du Tobin auch dienen, wenn du nicht mehr erfährst, als du im Augenblick weißt?«
»Ja. Nur …«
Arkoniel musterte Tharins betroffene Züge, während der Mann nach Worten suchte. »Du fragst dich, warum Rhius dir nicht schon mehr erzählt hat … und nicht schon früher?«
Tharin nickte, den Mund zu einer schmalen Linie verkniffen.
»Weil er nicht konnte«, fuhr Arkoniel mit sanfter Stimme fort. »Rhius hat nie an deiner Treue gezweifelt; das musst du mir glauben. Eines Tages werde ich in der Lage sein, dir alles zu erklären, dann wirst du es verstehen. Aber zweifle nie an des Herzogs Vertrauen in dich. Das hat er mit seinem letzten Atemzug bewiesen, Tharin. Was er an dich weitergegeben hat, war das heiligste Geheimnis seines Lebens. Was Tobin jetzt braucht, ist Schutz, und später Verbündete. Wie viele Truppen könnten wir heute aufstellen, wenn wir sie brauchten?«
Tharin rieb sich mit einer Hand über den Bart. »Tobin ist noch nicht ganz zwölf, Arkoniel. Das ist zu jung, um Truppen zu befehligen, auch zu jung, um eine Gefolgschaft um sich zu scharen, zumindest nicht ohne einen mächtigen Fürsten, der ihn unterstützt.« Er deutete zurück zur Feste. »Nyanis und Solari sind gute Männer, aber der Kriegsherr, der sie anführte, war Rhius. Wäre Tobin sechzehn oder siebzehn – oder vielleicht auch nur fünfzehn –, könnte es anders aussehen, aber so, wie die Dinge stehen, ist sein einziger naher Verwandter, der Macht besitzt, der König. Dennoch …«
»Ja?«
»Zwischen uns beiden: Es gibt Adelige, die nicht tatenlos dabei zusehen würden, dass ein Kind der weiblichen Linie Skalas zu Schaden kommt, und andere, die guten Grund dazu haben, sich daran zu erinnern, wer Tobins Vater war.«
»Und du weißt, wer diese Adeligen sind? Denen Tobin vertrauen kann?«
»So wie die Stimmung am Hof in diesen Tagen ist, gibt es nur wenige, auf die ich mein Leben setzen würde, aber ich habe mein Leben an der Seite des Herzogs verbracht und sein Vertrauen genossen. Ich habe ein gutes Gespür dafür, wie der Wind weht.«
»Tobin wird hier dein Geleit brauchen. Was ist mit den Soldaten, die Rhius Gefolgstreue schuldig waren?«
»Die gemeinen Männer sind an das Land gebunden, das sie bestellen. Kraft Gesetzes dienen sie demjenigen, der es verwaltet. Bis Tobin alt genug ist, um Männer anzuführen, denke ich, das wird sein, wer immer vom König gewünscht wird.« Er schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, von jetzt bis dahin kann sich viel verändern. Erius wird mit Sicherheit eigene Verwalter für die Ländereien einsetzen.«
»Für das Kind hat sich bereits zu viel verändert«, murmelte Arkoniel. »Trotzdem hat Tobin Glück, dass ihm ein so getreuer Mann wie du beisteht.«
Tharin klopfte Arkoniel auf die Schulter und erhob sich. »Manche dienen aus Treue oder für Ruhm, andere für Bezahlung«, meinte er rau. »Ich habe Rhius aus Liebe gedient, und Tobin diene ich aus demselben Grund.«
»Liebe.« Betroffen von etwas im Tonfall des Mannes, schaute Arkoniel auf. »Ich habe noch nie daran gedacht, dich das zu fragen, aber du hast doch selbst irgendwo ein Anwesen. Hast du dort eine eigene Familie?«
»Nein.« Bevor der Zauberer in seinen Zügen lesen konnte, drehte sich Tharin um und stapfte zurück zur Feste.
»Das guter Mann«, flüsterte Lhel unsichtbar. Ihre Stimme vermischte sich mit dem Gurgeln des Wassers unter Arkoniels baumelnden Füßen.
»Ich weiß«, erwiderte Arkoniel, dem ihre körperlose Gegenwart Trost spendete. »Weißt du über Fürst Rhius Bescheid?«
»Bruder mir gesagt.«
»Was soll ich tun, Lhel? Der König will, dass er nach Ero kommt.«
»Lassen Ki bei ihm.«
Arkoniel stimmte ein verbittertes Kichern an. »Das ist alles? Ich bin froh, das zu hören. Lhel?«
Doch sie war bereits wieder
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