Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
habe die Flucht ergriffen. Einen oder zwei Tage später sah ich denselben Ring an der Hand eines der Küchenmädchen. Ich schätze, sie war weniger wählerisch.«
Arkoniel glotzte ihn an. »Und das ist der Mann, den der König zu seinem Neffen schickt?«
Tharin zuckte mit den Schultern. »Kreaturen wie Orun lauern nicht ihresgleichen auf. Sie halten sich an Bedienstete und Bauern, an jene, die sich nicht beschweren oder kein Gehör finden, wenn sie es doch tun.«
»Ich bin in meiner Jugend auch ein paar von der Sorte begegnet. Iya brachte mir einige nützliche Zauber bei, um mich ihrer zu erwehren. Aber du warst kein Bauernjunge.«
»Nein. Wie gesagt, er war betrunken. Zum Glück für ihn war ich zu wütend und habe mich zu sehr geschämt, um etwas zu sagen, obwohl ich es hätte tun sollen, und er war zu dem Zeitpunkt zu weggetreten, um sich später an mich zu erinnern, also habe ich es dabei belassen. Aber er würde es nie wagen, Tobin anzurühren, davon bin ich überzeugt.«
»Und was ist mit Ki?«
»Das wäre angesichts seines Ranges fast genauso töricht, trotzdem werde ich mit dem Jungen reden. Keine Sorge, Arkoniel. Ich werde sie jeden Schritt des Weges begleiten, bis sie wohlbehalten in den Unterkünften der Gefährten abgeliefert sind. Waffenmeister Porion ist ein guter Mann und behält seine Jungen im Auge. Bei ihm werden sie sicher sein. Wenn Orun davor etwas versucht, wird es mir eine Freude sein, mich ihm ins Gedächtnis zu rufen.« Kurz setzte er ab. »Gehe ich recht in der Annahme, dass du uns nicht begleiten kannst?«
»Iya will mich hier haben, damit ich nicht von den Spürhunden nummeriert werde. Aber es ist nur ein Tagesritt, falls ihr mich braucht.«
»Dass es soweit kommen musste …« Erschöpft fuhr sich Tharin mit einer Hand durchs Haar. »Weißt du, ich war bis auf jenen letzten, schrecklichen Augenblick an Rhius’ Seite. Wäre mein Pferd nicht getroffen worden – wäre ich gewesen, wo ich hätte sein sollen, wo ich immer gewesen bin …« Er presste sich die Hand über die Augen.
»Du hattest keine Macht darüber, wohin die Pfeile flogen.«
»Das weiß ich! Aber bei den Vieren, Rhius sollte lebendig hier sein und mit dir reden, nicht ich! Oder wir sollten beide zusammen tot sein.«
Arkoniel musterte die von Gram gezeichneten Züge des Mannes und dachte an ihre Unterhaltung auf der Brücke nach der Totenwache zurück. »Du hast ihn wirklich sehr geliebt.«
Tharin schaute zu Arkoniel auf, und seine Miene wurde etwas sanfter. »Nicht mehr, als er es verdient hat. Er war mein Freund so wie Ki jener Tobins ist …«
Ein leises Klopfen an der Tür ertönte. »Tharin, bist du da?«, rief Nari, die sich panisch anhörte.
Arkoniel ließ sie ein. Die Frau war in entsetzlichem Zustand, hatte verweinte Augen und rang die Hände. »Fürst Orun schreit unten Zeter und Mordio! Er hat eine Todesangst vor dem Dämon und sagt, Tobin muss noch in dieser Stunde mit ihm aufbrechen. Die Befehle des Königs geben ihm das Recht, das Kind zu zwingen, sagt er. Du darfst das nicht erlauben! Tobin hat nicht einmal etwas Richtiges zum Anziehen am Hof. Ki hat sein Schwert gezogen und droht, jeden zu töten, der das Schlafzimmer betritt!«
Tharin befand sich halb zur Tür hinaus, bevor sie geendet hatte. »Hat es schon jemand versucht?«
»Noch nicht.«
Mit funkelnden Augen wandte er sich Arkoniel zu. »Was sollen wir tun, Zauberer? Der Mistkerl sieht einen von Bediensteten umgebenen, verwaisten Jungen und denkt, er kann den Herrn im Hause eines Toten spielen.«
»Trotzdem, Blutvergießen hilft nichts.« Arkoniel dachte kurz über die Lage nach, dann lächelte er. »Ich denke, es ist an der Zeit, dass Prinz Tobin ein paar Bedingungen festlegt. Schickt Tobin zu mir. Tharin, geh mit Nari und beruhige Ki. Ich muss unter vier Augen mit dem Prinzen reden.«
Ein paar Minuten später betrat Tobin seine Kammer. Er wirkte blass und niedergeschlagen.
»Ki hat doch noch niemanden getötet, oder?«, fragte Arkoniel.
Tobin lächelte nicht. »Fürst Orun sagt, wir müssen sofort aufbrechen.«
»Was hältst du von Fürst Orun?«
»Er ist ein fetter, aufgeblasener Dreckskerl, den der König zurückgelassen hat, weil er zum Kämpfen nicht taugt!«
»Du bist ein guter Menschenkenner. Und wer bist du?«
»Ich? Was meinst du damit?«
Arkoniel verschränkte die Arme vor der Brust. »Du bist Prinz Tobin, Sohn von Prinzessin Ariani, die nach dem Recht des Orakels Königin von Skala hätte sein sollen. Du bist der
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