Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
Befehlshaber, und während sein Tod ehrenvoll war und einem Krieger geziemte, vermögen Worte meine Verzweiflung ob des Verlustes nicht auszudrücken.
Zu Ehren des Andenkens Deiner lieben Mutter – möge Astellus ihren Geist zu Frieden geleiten – und aufgrund der Liebe, die ich für Dich, meinen nächsten Verwandten, empfinde, erkenne ich Dich als mein Mündel an, bis Du das Alter erreichst, um die Besitztümer zu verwalten, die Dir von Deinen geschätzten Eltern hinterlassen wurden, und um Deines Vaters Platz unter meinen Beratern einzunehmen. Ich ernenne meinen treuen Diener, Fürst Orun, zum Verwalter Deiner Ländereien, bis Du das einundzwanzigste Lebensjahr vollendest, und ich entsende ihn als Deinen Vormund, bis ich nach Skala zurückkehre.
Ich habe Fürst Orun angewiesen, Dich nach Ero zu begleiten, wo Du Deinen rechtmäßigen Platz unter den Königlichen Gefährten meines Sohnes einnehmen sollst. Es ist mein innigster Wunsch, dass Du Prinz Korin ein geliebter Bruder wirst und er Dir. Bei den Gefährten wirst Du dazu ausgebildet, Deinen Platz an seiner Seite auszufüllen, wenn er einst die Herrschaft übernimmt, genau wie Dein Vater mir diente.
Ich sehne mich danach, Dich wieder zu umarmen, wie ich es in der Nacht deiner Geburt tat. Bete für unseren Sieg in Mycena.«
Der Herold schaute auf. »Unterzeichnet und gesiegelt mit ›Dein Dich liebender Onkel, Erius von Ero, König von Skala‹. Hier endet die Botschaft, mein Prinz.«
Alle blickten Tobin an und erwarteten eine Erwiderung, doch seine Zunge schien am Gaumen festzukleben. Als Tharin gesagt hatte, sie würden nach Ero reisen, hatte er sich vorgestellt, mit seinen Freunden zum Haus seiner Geburt oder vielleicht ins prunkvolle Atyion zu reiten.
Er richtete die Augen wieder auf seinen so genannten Vormund und hasste den Mann bereits. Jeder konnte sehen, dass er kein Krieger war, bloß ein fettes, schwitzendes Schwein mit Augen wie zwei getrockneten, in Teig gepressten Johannisbeeren. Die Ankunft der Soldaten hatte ihm keinerlei Furcht eingeflößt; der Gedanke, dass dieser Mann ihn mitnehmen sollte, verursachte ihm Übelkeit und erfüllte ihn mit Kälte. Nein! , wollte er schreien, aber er blieb vor Benommenheit stumm wie ein Stein.
Bruder antwortete für ihn. Er bewegte sich sogar für Tobins Augen zu schnell, entriss dem erschrockenen Herold die Schriftrolle und zerfetzte sie, dann schlug er Fürst Orun den lächerlichen Hut vom Kopf. Seine Diener stoben auseinander; einige jagten dem Hut hinterher, andere flüchteten in Deckung.
Ein heftiger Wind kam aus dem Nichts auf, peitschte den Soldaten die Haare in die Augen und fegte Abzeichen und Dolche hinfort. Einige der Gardisten zuckten zusammen und brachen aus der Formation. Fürst Orun stieß ein äußerst unmännliches Quieken aus und hechtete unter einen nahen Tisch in Deckung. Tharins Männer lachten laut auf, und Tobin stimmte beinah darin ein; ausnahmsweise war er dankbar für Bruders Tollereien. Dennoch fand er stattdessen die Stimme wieder und brüllte: »Genug!«
Bruder hörte schlagartig auf, verharrte neben dem Schrein und beobachtete Tobin. Die Miene des Geistes verriet keinerlei Gefühlsregung, doch in jenem gemeinsamen Augenblick spürte Tobin, dass Bruder bereit war, für ihn zu meucheln.
Was würde er mit Orun machen, wenn ich ihn darum ersuchte?, fragte sich Tobin, dann verdrängte er den unwürdigen Gedanken rasch.
Tharins Männer lachten immer noch. Die verdrossenen Gardisten murmelten untereinander und vollführten Schutzzeichen, als sie sich zurück in die Formation begaben. Unter den wenigen, die ihre Stellung gehalten hatten, war der blonde Mann, auf den Bruder ihn hingewiesen hatte. Er beobachtete Tobin mit einem Lächeln, das nur in seinen Augen zutage trat. Tobin wusste nicht, was er davon halten sollte; ihm war nur klar, dass er diesen Mann bereits mehr mochte als Fürst Orun, dem gerade von seinen Dienern unter dem Tisch hervorgeholfen wurde.
»Ich heiße euch als Gäste in meinem Haus willkommen«, setzte Tobin an und versuchte, sich Gehör zu verschaffen.
»Ruhe für den Prinzen!«, brüllte Tharin mit einer Schlachtfeldstimme, die selbst Tobin zusammenzucken ließ. Stille kehrte ein, und alle wandten sich in Tharins und Tobins Richtung.
»Ich heiße euch als Gäste in meinem Haus willkommen«, wiederholte Tobin. »Fürst Orun, ich entbiete Euch die Gastfreundschaft meines Herdes. Meine Bediensteten werden Euch Wasser und Wein bringen. Eure Männer können
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