Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
erstgeborene Sohn von Herzog Rhius, dem Herrn von Atyion und Cirna, dem reichsten Fürsten und größten Krieger im Land. Du bist der Neffe des Königs und der Vetter seines Sohnes, des künftigen Königs. Ganz gleich, wie viele Vormunde und Verwalter sie zwischen dich und das stellen, was rechtmäßig dir gehört, du darfst das weder vergessen, noch irgendjemanden vergessen lassen. Du bist ein wahrer Adeliger reinsten Blutes, Tobin, bescheiden, tapfer und offen. Das hast du in meiner Zeit hier hunderte Male bewiesen.
Aber jetzt reist du an den Hof und musst lernen, daneben ein paar Masken zu tragen. Menschen wie Orun muss man mit ihren eigenen Waffen bekämpfen: Stolz, Hochmut, Verachtung oder was immer dem nahekommt und du deinem ehrlichen Herzen zu entlocken vermagst. Du brauchst nicht zu glauben, dass dein Vater einen solchen Schweinehund mit Respekt behandelt hätte, der seinerseits keinen entbietet. Wenn dir jemand ins Gesicht schlägt, dann musst du sofort zurückschlagen, nur härter. Verstehst du das?«
»Aber – aber er ist ein Fürst und meines Onkels …«
»Und du bist ein Prinz und Krieger. Dein Onkel wird das erkennen, wenn er zurückkehrt. In der Zwischenzeit musst du dir selbst einen Ruf erarbeiten. Sei freundlich zu denen, die dich achten, aber zeigt keine Gnade mit denen, die es nicht tun.«
Arkoniel konnte regelrecht beobachten, wie Tobin all das aufnahm und abwog. Schließlich verhärteten sich seine Züge, und er nickte. »Also brauche ich nicht höflich zu Fürst Orun sein, auch wenn er hier zu Gast ist?«
»Er verhält sich beleidigend. Du schuldest ihm lediglich die Zusicherung von Sicherheit unter deinem Dach. Das hast du ihm bereits gewährt, indem du Bruder zurückgerufen hast.« Abermals lächelte Arkoniel. »Übrigens war das sehr gut gemacht. Sag, wenn du Bruder bittest, einen Wirbel zu veranstalten, würde er es tun?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe ihn noch nie um etwas gebeten, außer darum, mit etwas aufzuhören.«
»Möchtest du es herausfinden?«
Tobin runzelte die Stirn. »Ich würde ihn niemanden verletzen lassen. Nicht einmal Orun.«
»Selbstverständlich nicht. Aber Fürst Orun braucht das nicht zu wissen, oder? Du musst jetzt hinuntergehen und unserem Gast mitteilen, dass du bis morgen brauchst, um für Ordnung in deinem Haushalt zu sorgen.«
»Was ist, wenn er nein sagt?«
»Dann hoffe ich, Bruder ist so gut, dein Missfallen zum Ausdruck zu bringen. Ist er gerade hier? Nein? Warum rufst du ihn nicht?«
Tobin wirkte leicht verlegen, als er die Rufbeschwörung sprach, obwohl der Zauberer ihn nicht zum ersten Mal dabei beobachtete. Arkoniel spürte eine Veränderung in der Luft und wusste an der Art, wie Tobin den Kopf drehte, dass Bruder hinter ihm erschienen war. Der Zauberer verlagerte unbehaglich das Gewicht, da ihm der Gedanke an einen unsichtbaren Gast in seinem Rücken missfiel.
»Wirst du mir helfen?«, fragte Tobin.
»Was sagt er?«
»Nichts. Aber ich glaube, er wird es tun.« Dann fiel Tobin etwas ein, und er runzelte die Stirn. »Wo soll Fürst Orun schlafen, wenn er über Nacht bleibt? Das einzige Gästezimmer, das wir haben, ist hier oben neben deiner Kammer.«
Arkoniel wusste, dass man ihm Rhius’ und Arianis Schlafgemächer anbieten könnte, aber ihm widerstrebte der Gedanke zutiefst, diese Kreatur so nahe bei den Jungen unterzubringen. »Ich schätze, wir könnten ihn in den Turm stecken.« Er hatte es als Witz gemeint, doch Tobins entsetzter Gesichtsausdruck ließ das Lächeln auf seinen Lippen ersterben. »Das war nur ein Scherz, Tobin, und ein schlechter dazu. Er kann mit der Halle das Auslangen finden. Lass sie Dienerschaft eine anständige Liegestatt mit Behängen für ihn aufstellen und eine weitere für den Herold. Darüber kann er sich in einem Landhaus wohl kaum beschweren.«
Tobin wandte sich zum Gehen, aber ein plötzlicher Anflug von Furcht und Zuneigung bewog Arkoniel, ihn zurückzurufen. Als Tobin jedoch vor ihm stand, wusste er kaum, wo er anfangen sollte. Unbeholfen legte er dem Jungen die Hand auf die Schulter und sagte: »Weißt du, Tobin, du wirst mit ihm gehen müssen. Und in der Stadt wird das Leben anders sein. Hier hast du ein so stilles Dasein bei Menschen geführt, denen du vertrauen konntest. So ist es am Hof nicht.« Er suchte nach den rechten Worten. »Sollte irgendjemand – «
Tobins Miene verriet wenig, aber seine starrte Haltung und der zuckende Blick auf die Hand auf seiner Schulter ließ den Zauberer
Weitere Kostenlose Bücher