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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Pferd und seinen Versuch, Tharin mit einem Holzsplitterschwert zu formen.
    »Das sind nicht meine Besten«, meinte er verlegen. »Die verschenke ich.«
    »An wen?«
    Er zuckte mit den Schultern. »An jeden.« Die Bediensteten und Soldaten hatten seine Arbeiten immer gelobt und ihn sogar um bestimmte Tiere gebeten. Manies hatte einen Otter gewollt, Laris einen Bären. Koni mochte Vögel; als Gegenleistung für einen Adler hatte er Tobin eines seiner scharfen kleinen Messer überlassen und ihm weiche Holzstücke gesucht, die sich einfach bearbeiten ließen.
    So sehr es Tobin liebte, sie alle zu erfreuen, die besten Stücke hob er immer für seinen Vater und Tharin auf. Allerdings war ihm nie in den Sinn gekommen, auch seiner Mutter eines zu schenken. Er fragte sich, ob sie sich dadurch verletzt fühlte.
    »Möchtest du den da haben?«, fragte er und deutete auf den Fuchs, den sie immer noch in einer Hand hielt.
    Sie neigte leicht das Haupt und lächelte. »Oh, danke, mein kleiner Prinz.«
    Dann kehrte sie auf ihren Stuhl zurück, stellte den Fuchs auf den Tisch zwischen sie beide und reichte ihm abermals den Federkiel. »Kannst du die Figur für mich zeichnen?«
    Tobin hatte nie daran gedacht, etwas zu zeichnen, zumal es ihm so leicht fiel, etwas zu formen. Er blickte auf das leere Pergament hinab und klopfte sich mit dem gefiederten Ende des Kiels gegen das Kinn. Eine Form aus weichem Wachs zu fertigen, empfand er als einfach; dieselbe Form auf diese Weise darzustellen, war etwas völlig anderes. Er stellte sich eine Füchsin vor, die er eines Morgens auf der Weide gesehen hatte, und versuchte, eine Linie zu zeichnen, die der Form ihrer Schnauze und der wachsam angelegten Ohren entsprach, als sie im Gras Mäuse gejagt hatte. Im Geiste sah er das Tier klar und deutlich vor sich, doch so sehr er sich bemühte, er konnte den Federkiel nicht dazu bringen, sich zu benehmen. Das verwackelte Gekritzel, das er zeichnete, glich der Füchsin nicht annähernd. Niedergeschlagen warf er den Federkiel hin und starrte auf seine tintenfleckigen Finger hinab.
    »Schon gut, mein Liebling«, sagte seine Mutter. »Deine Figuren sind so gut wie jede Zeichnung. Ich war nur neugierig. Aber lass uns mal versuchen, ob wir die Buchstaben nicht einfacher für dich gestalten können.«
    Sie drehte den Bogen herum und schrieb eine Weile, dann löschte sie die Seite und drehte sie wieder zu Tobin herum. Am oberen Rand befanden sich drei sehr groß geschriebene A. Sie tauchte den Federkiel in das Tintenfässchen, reichte ihn Tobin, erhob sich und stellte sich neben ihn. Mit der Hand auf der seinen führte sie ihn beim Nachzeichnen der von ihr geschriebenen Buchstaben und zeigte ihm die richtigen Schwünge. Nachdem sie dies mehrere Male wiederholt hatten, stellte er, als er es alleine versuchte, fest, dass seine Krakel begannen, dem Buchstaben zu ähneln, den er zu schreiben versuchte.
    »Schau, Mama, ich habe es geschafft!«, rief er aus.
    »Es ist genau, wie ich dachte«, murmelte sie, während sie weitere Übungsbuchstaben für ihn aufschrieb. »Bei mir war es in deinem Alter dasselbe.«
    Tobin beobachtete wie sie arbeitete, und er versuchte, sie sich als junges, Zöpfe tragendes Mädchen vorzustellen, das nicht schreiben konnte.
    »Auch ich habe kleine Figuren angefertigt, wenngleich nicht annähernd so schöne wie du«, fuhr sie fort, nach wie vor schreibend. »Dann brachte mir meine Amme bei, wie man Puppen macht. Du hast meine Puppen ja gesehen.«
    Der Gedanke an die Puppen bereitete Tobin Unbehagen, aber er wollte nicht ungehobelt erscheinen, indem er nicht antwortete. »Sie sind sehr hübsch«, meinte er. Sein Blick wanderte zu ihrer Puppe, die zu einem unansehnlichen Haufen zusammengesunken auf der Truhe neben ihnen lag. Seine Mutter schaute auf und ertappte ihn dabei, wie er darauf starrte. Es war zu spät. Sie wusste, was er ansah, und vielleicht sogar, was er dachte.
    Ihre Züge glätteten sich zu einem liebevollen Lächeln, als sie die hässliche Puppe auf den Schoß nahm und ihre missgestalteten Glieder ordnete. »Das hier ist die beste, die ich je gemacht habe.«
    »Aber – warum hat sie kein Gesicht?«
    »Dummes Kind, natürlich hat sie ein Gesicht!« Sie lachte und strich mit den Fingern über die leere, runde Stofffläche. »Das hübscheste Gesichtchen, das ich je gesehen habe!«
    Einen Lidschlag lang wirkten ihre Augen wieder wahnsinnig und wild wie an jenem Tag im Turm. Tobin zuckte zusammen, als sie sich vorbeugte, aber sie

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