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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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uns ausprobieren, wie es dir passt.«
    Das schwere Kettengewand hing auf einem Ständer im Schlafgemach seines Vaters. Natürlich war es Tobin viel zu groß, sammelte sich wie eine Pfütze um seine Füße und verankerte ihn felsenfest an Ort und Stelle. Die Helmkappe hing ihm über die Augen. Lachend setzte sein Vater den Stahlhelm auf Tobins Kopf. Es fühlte sich an, als trüge er einen von Köchins Suppenkesseln. Das Ende des langen Nasenschutzes ragte ihm bis über das Kinn. Dennoch schlug Tobins Herz schneller, als er sich den großen, starken Mann vorstellte, der er eines Tages sein und der all dies richtig ausfüllen würde.
    »Tja, viel länger wird es nicht mehr dauern, bevor du die Sachen brauchen kannst«, meinte sein Vater kichernd. Danach schleifte er den Ständer durch den Gang in Tobins Zimmer und verbrachte den Rest des Nachmittags damit, ihm zu zeigen, wie man die Ketten ölte und bereithielt.
     
    Tobin klammerte sich immer noch an die Hoffnung, sein Vater und die anderen könnten bis zum Sakor-Fest bleiben, aber die Lehnsmänner seines Vaters, Fürst Nyanis und Fürst Solari, trafen wenige Tage später mit ihren Soldaten ein. Ein paar Tage strotzte die Weide vor Männern und deren Zelten, aber noch in derselben Woche brachen alle nach Atyion auf und ließen Tobin und die Bediensteten zurück, die somit ohne sie feiern mussten.
    Ein paar Tage schlich Tobin trübselig herum, aber Nari lockte ihn mit gutem Zureden aus seiner düsteren Stimmung und teilte ihn dafür ein, beim Schmücken des Hauses zu helfen. Kränze aus Tannenzweigen wurden über jeden Eingang gehängt, golden und schwarz bemalte Holzschilde an die Säulen der Halle. Tobin füllte die Opferablage des Hausschreins mit einer ganzen Herde von Wachspferden für Sakor. Am nächsten Morgen jedoch fand er sie über den mit Binsen bedeckten Boden verstreut vor. An ihrer Stelle auf der Ablage lag stattdessen dieselbe Anzahl schmutziger, knorriger Baumwurzeln.
    Dies war einer der Lieblingsstreiche des Dämons – ein Streich, den Tobin besonders hasste, weil er seinen Vater so sehr aufregte. Beim Anblick der Wurzeln erblasste der Herzog jedes Mal. Danach musste er süße Kräuter verbrennen und Gebete sprechen, um den Schrein zu reinigen. Wenn Tobin die Wurzeln vor ihm fand, warf er sie weg und putzte die Ablage mit dem Ärmel ab, damit sein Vater nichts davon erfuhr und nicht traurig war.
    Mit finsterer Miene schleuderte Tobin den ganzen Unrat in das Kaminfeuer und zog von dannen, um neue Pferde anzufertigen.
     
    In der Trauernacht löschte Köchin – als Symbol des Todes des Alten Sakor – alle Feuerschalen bis auf eine, und alle spielten im Mondschein auf dem verwaisten Kasernenhof Blinde Kuh.
    Tobin versteckte sich gerade hinter einem Heuschober, als er zufällig zum Turm hinaufschaute. Der fahle Schimmer eines verbotenen Feuers zeichnete sich durch die Läden ab. Er hatte seine Mutter seit Tagen nicht gesehen, was ihm sehr gut passte. Dennoch kroch ihm ein Schauder über den Rücken, als er sie sich dort oben vorstellte, wie sie auf ihn herabblickte.
    Plötzlich stieß ihn etwas Schweres zu Boden, und ein lodernder Schmerz flammte in seiner rechten Wange unmittelbar unter dem Auge auf. Der unsichtbare Angreifer verschwand so schnell, wie er aufgetaucht war, und Tobin stolperte hinter dem Schober hervor, schluchzend vor Angst und Schmerz.
    »Was ist denn, mein Schatz«, rief Nari und hob ihn hoch.
    Zu erschüttert, um zu antworten, drückte er die pochende Wange gegen ihre Schulter, als sie ihn in die Halle trug.
    »Macht jemand Licht!«, befahl sie.
    »Nicht in der Trauernacht …«, sagte die Hausgehilfin, Sarilla, die an ihrer Seite auftauchte.
    »Dann hol das eine Kohlenfeuer, das brennt, und fach die Flammen an, damit man etwas sehen kann. Das Kind ist verletzt!«
    Tobin schmiegte sich mit fest verschlossenen Augen eng an sie. Die Schmerzen waren zu einem dumpfen Pochen verflacht, aber der Schreck des Angriffs ließ ihn immer noch zittern. Er hörte, wie Sarilla zurückkehrte, dann vernahm er das Schrammen des Feuertopfdeckels.
    »So, mein Liebling, jetzt lass Nari mal sehen.«
    Tobin hob den Kopf und ließ sie die Wange dem matten Schein zudrehen. Mynir und die anderen standen in einem Kreis um sie und blickten zutiefst besorgt drein.
    »Beim Licht, er wurde gebissen!«, rief der greise Verwalter aus. »Hol ein Becken und ein sauberes Tuch, Mädchen.« Sarilla eilte davon.
    Tobin hob eine Hand an die Wange und spürte klebrige

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