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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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einander?«
    »Sarilla sagt, ich bin verflucht«, flüsterte Tobin, entwaffnet von ihrer unverhofften Zärtlichkeit.
    Die Augen seiner Mutter verengten sich gefährlich, aber ihre Berührung blieb liebevoll. »Sarilla ist ein ahnungsloses Bauernweib. Du darfst auf derlei Gerede niemals hören.«
    Sie ergriff wieder die Puppe, streckte die Hand nach jener Tobins aus und sagte lächelnd: »Kommt, meine Lieblinge, lasst uns sehen, was uns Köchin zum Frühstück gemacht hat.«

K APITEL 8
     
    Ab jenem seltsamen Vormittag am Sakor-Tag hörte seine Mutter auf, ein Geist in ihrem eigenen Haus zu sein.
    Ihre erste Tat bestand darin, Sarilla zu entlassen und anschließend Mynir in die Stadt zu schicken, um einen geeigneten Ersatz zu suchen. Er kehrte am nächsten Tag mit einer stillen, gutmütigen Witwe namens Tyra zurück, die ihre Dienstmagd wurde.
    Sarillas Entlassung verängstigte Tobin. Er hatte sie zwar nicht besonders gemocht, aber sie war ein Teil des Haushalts gewesen, solange er zurückdenken konnte. Dass seine Mutter Nari nicht mochte, war kein Geheimnis, und er fürchtete, sie könnte auch die Amme fortschicken. Aber Nari blieb und kümmerte sich unverändert weiter um ihn, wie sie es schon immer getan hatte.
    Mittlerweile kam seine Mutter fast jeden Morgen herunter, ordentlich angekleidet, das glänzende, schwarze Haar geflochten oder zu einem glatten Schleier über die Schultern gekämmt. Sie trug sogar einen Duft, der wie Frühlingsblumen auf der Weide roch. Zwar verbrachte sie immer noch einen Großteil des Tages damit, am Kamin in ihrem Schlafgemach Puppen zu nähen, nahm sich jedoch auch Zeit, um mit Mynir die Ausgabenaufstellungen durchzugehen und Köchin auf den Küchenhof zu begleiten, um mit den Bauern und Straßenhändlern zu feilschen, die in die Feste kamen. Bei solchen Gelegenheiten war auch Tobin dabei und erfuhr überrascht, dass die umliegenden Ortschaften von Hungersnot und Seuchen heimgesucht wurden. Bisher hatten derlei Dinge nur weit entfernt gewütet.
    Und dennoch, so unbeschwert seine Mutter während des Tages wirkte, sobald die Nachmittagsschatten länger zu werden begannen, schien auch aus ihr das Licht zu entweichen, und sie zog sich nach oben in das verbotene dritte Stockwerk zurück. Anfangs betrübte dies Tobin, aber er fühlte sich nie versucht, ihr zu folgen. Am nächsten Morgen tauchte sie stets lächelnd wieder auf.
    Auch der Dämon schien mit dem Tageslicht zu kommen und zu gehen. Am umtriebigsten gab er sich in der Dunkelheit.
    Der Zahnabdruck, den er auf Tobins Wange hinterlassen harte, verheilte und verblasste, nicht jedoch Tobins Grauen vor dem Geschöpf. Wenn er nachts neben Nari im Bett lag, konnte er das Bild einer verschrumpelten, schwarzen Gestalt nicht abschütteln, die in den Schatten lauerte, klauenartige Finger ausstreckte, um ihn zu zwicken und zu kratzen, und die scharfen Zähne bleckte, um ihn erneut zu beißen. Tobin ließ die Decke bis ans Kinn hochgezogen und gewöhnte sich an, nach dem Abendmahl nichts mehr zu trinken, damit er nicht in der Dunkelheit aufstehen musste, um den Nachttopf zu benutzen.
     
    Der zerbrechliche Friede mit seiner Mutter hielt an, und als Tobin ein paar Wochen später sein Spielzimmer betrat, fand er darin seine Mutter vor, die ihn an einem neuen Tisch erwartete.
    »Für unseren Unterricht«, erklärte sie und bedeutete ihm, auf dem zweiten Stuhl Platz zu nehmen.
    Tobins Herz sank, als er das Pergament und Schreibzeug erblickte. »Vater hat versucht, mich zu unterrichten«, sagte er. »Ich konnte es nicht lernen.«
    Eine leichte Furche runzelte ihre Stirn bei der Erwähnung seines Vaters, aber sie verflog rasch wieder. Sie tauchte den Federkiel in das Tintenfässchen und streckte ihn Tobin entgegen. »Lass es uns noch einmal versuchen, ja? Vielleicht bin ich eine bessere Lehrmeisterin.«
    Nach wie vor zweifelnd ergriff Tobin die Feder und versuchte, seinen Namen zu schreiben, das einzige Wort, das er kannte. Ein paar Augenblicke beobachtete sie, wie er sich damit quälte, dann nahm sie ihm den Federkiel behutsam wieder ab.
    Tobin saß stockstill und fragte sich, ob ein Anfall ihrerseits folgen würde. Stattdessen stand sie auf und ging zum Fenstersims, wo einige seiner kleinen Wachsfiguren und Holzschnitzereien in einer Reihe standen. Sie ergriff einen Fuchs und schaute zu Tobin. »Die hast doch du gemacht, oder?«
    Tobin nickte.
    Sie begutachtete nacheinander jedes einzelne Stück: den Falken, den Bären, den Adler, ein rennendes

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