Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling
nicht erlaubt hat, ihn einzuweihen. Einen besseren Freund hat diese Familie nicht. Geheimnisse. Hier dreht sich alles nur um Geheimnisse.«
Der zweite Trank erzielte die versprochene Wirkung. Arkoniel schlief wie ein Stein und träumte davon, mit seinen Brüdern im Obstgarten seines Vaters Fuchs und Gans zu spielen.
Irgendwann bemerkte er, dass Tobin sie beobachtete, doch er fand keine Wort, um das Kind einzuladen, sich ihnen anzuschließen. Danach saß er in der Küche seiner Mutter, und der Dämon war dort.
»Ich kenne den Geschmack deiner Tränen«, sagte der Geist neuerlich.
Er erwachte spät am nächsten Morgen mit einer vollen Blase und einem widerwärtigen Geschmack im Mund. Seine linke Seite wies von dem Sturz blaue Flecken auf, sein Arm pochte vom Handgelenk bis zur Schulter. Mit der Hand an die Brust gedrückt, fand er unter dem Bett einen Nachttopf, den er gerade benutzte, als sich die Tür einen Spaltbreit öffnete. Tobin lugte herein.
»Guten Morgen, mein Prinz!« Arkoniel schob den Nachttopf beiseite und ließ sich zurück aufs Bett sinken. »Du wärst wohl nicht so nett, Köchin zu sagen, dass ich einen weiteren ihrer Tränke brauche?«
Tobin verschwand so plötzlich, dass sich Arkoniel fragte, ob der Junge ihn überhaupt verstanden hatte.
Oder ob es wirklich Tobin war, mit dem ich gesprochen habe.
Bald jedoch kehrte der Junge mit einem Becher und einem kleinen, braunen Laib auf einer Serviette zurück. Von der Zaghaftigkeit des Vorabends war nichts mehr zu erkennen, dennoch lächelte er immer noch nicht und wirkte zurückhaltend. Er reichte Arkoniel das Essen, dann stand er da und starrte den Zauberer mit jenen zu alten Augen an, während dieser schmauste.
Arkoniel biss in das dichte, warme Brot. Köchin hatte es durchgeschnitten und eine dicke Scheibe gut gereiften Käse hineingelegt. »Ah, herrlich!«, rief er aus und spülte den Happen mit dem Branntweintrunk hinunter. Diesmal schmeckte er schwächer.
»Ich habe beim Backen geholfen«, verriet Tobin.
»Wirklich? Tja, dann bist du ein großartiger Bäcker.«
Auch damit errang er bestenfalls den Hauch eines Lächelns. Allmählich fühlte sich Arkoniel wie ein mittelmäßiger Gaukler vor einer äußerst anspruchsvollen Zuschauerschaft. Er versuchte es mit einem anderen Ansatz. »Nari hat mir erzählt, dass du sehr gut schießt.«
»Letzte Woche habe ich fünf Waldhühner mit nach Hause gebracht.«
»Ich habe früher selbst recht gut geschossen.«
Tobin zog eine Augenbraue hoch, genau wie es Iya zu tun pflegte, wenn sie im Begriff war, etwas zu missbilligen, was er gesagt oder getan hatte. »Jetzt nicht mehr?«
»Ich habe mich anderen Lehren zugewandt und scheine einfach keine Zeit mehr dafür zu finden.«
»Brauchen Zauberer nicht zu schießen?«
Arkoniel lächelte. »Wir haben andere Mittel und Wege, uns Nahrung zu beschaffen.«
»Du bettelst aber doch nicht, oder? Vater sagt, es ist schändlich für jeden gesunden Mann, zu betteln.«
»Mein Vater hat mir dasselbe beigebracht. Nein, meine Lehrmeisterin und ich reisen und verdienen uns unser Brot. Und manchmal sind wir Gäste, so wie jetzt ich bei euch.«
»Wie willst du dir hier dein Brot verdienen?«
Arkoniel rang den Drang zu kichern zurück. Als Nächstes würde dieses Kind noch seine Matratze überprüfen, um sich zu vergewissern, dass er keine Löffel stahl. »Zauberer verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit Magie. Wir erschaffen Dinge und richten Dinge. Und wir unterhalten.«
Er streckte den rechten Arm aus und bündelte alle Aufmerksamkeit auf die Mitte seiner Handfläche. Ein apfelgroßer Ball aus Licht nahm dort Gestalt an und formte sich zu einem winzigen Drachen mit durchscheinenden, fledermausähnlichen Flügeln. »Solche habe ich in Aurënen gesehen.«
Als er aufschaute, stellte er fest, dass Tobin langsam zurückwich, die Augen vor Furcht geweitet.
Dies war nicht gerade, was zu bewirken Arkoniel erhofft hatte. »Hab keine Angst. Das ist nur ein Trugbild.«
»Es ist nicht echt?«, fragte Tobin von der Sicherheit der Tür aus.
»Es ist nur ein Bild, eine Erinnerung von meinen Reisen. An einem Ort namens Sarikali habe ich jede Menge dieser Däumlinge gesehen. Manche werden größer als diese Feste, aber sie sind sehr selten und leben in den Bergen. Diese kleinen hier hingegen wuseln überall umher. Für die Aurënfaie sind sie geheiligte Geschöpfe. Es gibt bei ihnen eine Legende darüber, wie der erste Faie erschaffen wurde …«
»Aus elf Tropfen
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