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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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und ich haben Stunden damit verbracht, alle möglichen Dinge zu sein.«
    Halb hatte er erwartet, dass Tobin das Spielzeug fallen lassen und flüchten würde, stattdessen jedoch betrachtete er den kleinen Vogel eingehend. Und er lächelte.
    »Darf ich dir etwas zeigen?«, fragte er.
    »Selbstverständlich.«
    Immer noch mit dem Vogel in der Hand rannte Tobin aus dem Zimmer und kehrte bald darauf mit zu einer Schale geformten Händen vor sich zurück. Er hockte sich wieder neben Arkoniel und schüttete ein Dutzend kleiner Schnitzereien und Wachsfiguren auf den Boden zwischen ihnen. Sie ähnelten jenen, die Nari dem Zauberer zuvor gezeigt hatte, allerdings waren diese neuen Arbeiten noch besser. Unter ihnen befanden sich ein Fuchs, mehrere Pferde, ein Reh und ein hübscher Holzvogel etwa derselben Größe wie jener, den Arkoniel gezaubert hatte.
    »Hast du die alle gemacht?«
    »Ja.« Tobin hielt seinen und Arkoniels Vogel hoch. »Aber deiner ist besser als meiner. Kannst du mir beibringen, sie so zu machen wie du?«
    Arkoniel ergriff ein Holzpferd, bewunderte es und schüttelte den Kopf. »Nein. Und in Wahrheit sind deine besser. Meine sind nur ein Trick. Die hier sind das Ergebnis deiner Hände und Vorstellungskraft. Du musst ein Künstler wie dein Vater sein.«
    »Und meine Mama«, fügte Tobin hinzu, der erfreut über das Lob wirkte. »Vor den Puppen hat sie auch Schnitzereien gemacht.«
    »Das wusste ich gar nicht. Bestimmt vermisst du sie.«
    Das Lächeln verschwand. Tobin zuckte mit den Schultern und begann, die Tiere und Menschen über den aufgemalten Hafen in Rängen aufzustellen. »Wie viele Brüder hast du?«
    »Jetzt noch zwei. Ich hatte fünf, aber zwei sind an der Pest gestorben, und der älteste wurde im Kampf gegen die Plenimarer getötet. Die beiden anderen sind auch Krieger.«
    »Aber du nicht.«
    »Nein, für mich hatte Illior andere Pläne.«
    »Bist du schon immer ein Zauberer gewesen?«
    »Ja, aber ich wusste es nicht, bis meine Lehrmeisterin mich entdeckt hat, als ich …« Arkoniel hielt überrascht inne. »Tja, als ich ein wenig jünger war, als du es jetzt bist.«
    »Warst du sehr traurig?«
    »Warum hätte ich traurig sein sollen?«
    »Weil du kein Krieger bist wie deine Brüder. Und Skala nicht mit dem Herzen und dem Schwert dienst.«
    »Wir alle dienen auf unsere eigene Weise. Wusstest du, dass Zauberer im Großen Krieg gekämpft haben? Der König hat derzeit einige in seiner Armee.«
    »Aber nicht dich«, stellte Tobin fest. Ein Umstand, durch den Arkoniel in seiner Hochachtung eindeutig sank.
    »Wie ich schon sagte, es gibt viele Arten zu dienen. Und ein Land braucht nicht nur Krieger, sondern auch Gelehrte, Handwerker und Bauern.« Er hielt Tobins Vogel hoch. »Und Künstler! Man kann sowohl Künstler als auch Krieger sein. Also, möchtest du nun die große Stadt sehen, die du einst beschützen wirst, mein junger Krieger? Bist du bereit?«
    Tobin nickte und streckte neuerlich die Hand aus. »Ich soll also so tun, als sei ich ein Vogel, aber ich werde immer noch ich sein?«
    Arkoniel grinste. »Du wirst immer du sein. Jetzt entspann dich und atme, als würdest du schlafen, ganz tief und fest. Gut. Was für ein Vogel wirst du sein?«
    »Ein Adler.«
    »Dann werde ich auch einer sein, sonst kann ich nicht mit dir mithalten.«
    Diesmal entspannte sich Tobin mühelos, und Arkoniel wob stumm den Bann, der seine eigenen Erinnerungen in Tobins Geist schützen würde. Behutsam, um einen plötzlichen Übergang zu vermeiden, begann er die Vision, indem sie beide auf einer hohen Tanne hockten, von der aus sie die Weide draußen überblickten. »Siehst du den Wald und das Haus?«
    »Ja!«, stieß Tobin in ehrfürchtigem Flüsterton hervor. »Es ist wie in einem Traum.«
    »Gut. Du weißt, wie man fliegt, also breite die Schwingen aus und komm mit mir.«
    Überraschend bereitwillig tat Tobin, wie ihm geheißen. »Jetzt kann ich das Dorf sehen.«
    »Wir fliegen gleich nach Osten.« Arkoniel beschwor erst ein Bild von Bäumen und Feldern herauf, die rasch unter ihnen vorbeizogen, dann jenes von Ero. Er brachte sie hoch über den Alten Palast und versuchte, dem Jungen eine erkennbare Aussicht zu bescheren. Der Palatinkreis unter ihnen sah aus wie ein rundes, grünes Auge auf einem dicht besiedelten Hügel.
    »Ich sehe die Stadt!«, flüsterte Tobin. »Sie sieht aus wie meine, nur hat sie viel mehr Häuser und Straßen und Farben. Darf ich auch den Hafen und die Schiffe sehen?«
    »Wir müssen hinfliegen.

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