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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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bisher nie bewusst gewesen, wie still es in der Feste war. Den ganzen Tag lang hallten aus jeder Richtung Hämmern, Klopfen und Klirren, dazu die lauten Stimmen der Arbeiter, die Anweisungen brüllten oder Lieder sangen.
    Eine Mannschaft von Maurern lärmte auf dem Dach mit Schindeln und Töpfen voll heißem Blei und Teer herum, sodass es Tag und Nacht aussah, als stünde das Dach in Flammen. Eine weitere Gruppe kam ins Haus und übernahm gleichzeitig das dritte Stockwerk und die große Halle, schob die Möbel umher und erfüllte das Gebäude mit den aufregend neuen Gerüchen von nassem Kalk und Sägemehl.
    Arkoniel stieg ein wenig in Tobins Gunst, als er darauf bestand, dass Tobin erlaubt wurde, den Handwerkern bei der Arbeit zuzusehen. Eines Nachts, nachdem Nari ihn zu Bett gebracht hatte, kam Bruder und führte Tobin zum oberen Treppenabsatz, um zusammen einem Streit zu lauschen, der sich unten zutrug. Nari und Arkoniel standen am Kamin.
    »Mir ist egal, was du oder Herzog Rhius sagen«, erboste sich Nari und vergrub die Hände in der Schürze, wie sie es immer tat, wenn sie aufgebracht war. »Es ist nicht sicher! Was hat es für einen Sinn, hier draußen mitten im Nichts zu weilen, wenn …«
    »Ich bleibe bei ihm«, fiel der Zauberer ihr ins Wort. »Beim Licht, Frau, du kannst ihn nicht sein ganzes Leben lang in Watte packen. Und es gibt so Vieles, was er lernen kann. Er besitzt eindeutig eine Begabung für solche Dinge.«
    »Ach, dir wäre wohl lieber, er wächst heran, um eine Maurerschürze statt einer Krone zu tragen, wie?«
    Tobin kaute nachdenklich an seinem Daumennagel und fragte sich, was sie damit meinten. Er hatte noch nie gehört, dass ein Prinz eine Krone tragen konnte. Selbst seine Mutter hatte das nicht getan, soweit er wusste, und sie hatte im Palast gelebt, als sie klein gewesen war. Aber wenn das Tragen einer Maurerschürze bedeutete, dass er in der Lage wäre, eine Kelle und Mörtel zu verwenden, um Mauern zu bauen, hätte er nichts dagegen gehabt. Er hatte an diesem Tag heimlich die Mannschaft oben beobachtet, als Nari ihn nicht beaufsichtigt hatte, und ihre Arbeit hatte ihn neugierig gemacht. Er vermutete, sie wäre lustiger als sein anderer Unterricht bei Arkoniel, wo er Reime auswendig lernte und sich die Namen der Sterne einprägen musste.
    Bevor er erfuhr, wer bei dem Streit die Oberhand behalten würde, flüsterte Bruder ihm zu, er sollte zurück ins Bett eilen. Er schaffte es gerade noch rechtzeitig zurück in sein Zimmer und konnte die Tür schließen, ehe Mynir daran vorbeiging, der fröhlich vor sich hinpfiff und mit den Schlüsseln an deren eisernem Ring rasselte.
     
    Zum Glück gewann Arkoniel; er und Tobin verbrachten den nächsten Tag damit, den Arbeitern zuzusehen.
    Die Werkzeuge der Gipser und Steinmetze und die Mühelosigkeit, mit der sie damit hantierten, fesselten Tobin. Ganze Mauern verwandelten sich an nur einem Vormittag von schmutzig-grau zu zuckerweiß.
    Am meisten aber bewunderte er die Holzschnitzerin, eine zierliche, hübsche Frau mit hässlichen Händen, die mit Stemmeisen und Messern Holz formten, als wäre es Butter. Der gebrochene Treppenpfosten in der Halle war am Tag zuvor herausgerissen worden, und Tobin beobachtete voll gespannter Aufmerksamkeit, wie die Frau einen neuen aus einem langen Block dunklen Holzes schnitzte. Tobin schien, dass sie in das Holz grub, um das Muster der gereiften Maserung aufzuspüren, das bereits darin schlummerte. Als er ihr diese Beobachtung scheu mitteilte, nickte sie.
    »Genau so betrachte ich es, Hoheit. Ich nehme ein Stück feines Holz wie dieses in die Hände und frage es: ›Welche Schätze hältst du in dir für mich bereit?‹«
    »Prinz Tobin macht dasselbe mit Gemüse und Wachsklumpen«, verriet ihr Arkoniel.
    »Ich schnitze auch Holz«, fügte Tobin hinzu und erwartete, dass die Künstlerin ihn auslachen würde. Stattdessen flüsterte sie Arkoniel etwas zu, dann ging sie zu einem Haufen von Resten in der Nähe und brachte ihm ein Stück blassgelbes Holz etwa so groß wie ein Backstein. Dazu reichte sie ihm zwei ihrer scharfen Schnitzklingen und fragte ihn: »Möchtet Ihr sehen, was sich in diesem Stück befindet?«
    Tobin verbrachte den Rest des Nachmittags auf dem Boden neben ihr hockend, und am Ende des Tages gab er ihr einen fetten Otter, der nur ein klein wenig schief geraten war. Sie erwies sich als so erfreut darüber, dass sie ihm die Messer dafür überließ.
     
    Wenn sie nicht die Arbeiter beobachteten,

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