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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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unternahmen Tobin und Arkoniel lange Ausritte oder Spaziergänge auf den Waldpfaden. Ohne dass Tobin es bemerkte, verwandelten sie sich zugleich in Unterricht. Arkoniel mochte nicht wissen, wie man kämpfte oder richtig mit dem Bogen schoss, dafür verstand er eine Menge von Kräutern und Bäumen. Er begann, indem er sich von Tobin jene zeigen ließ, die er kannte, dann lehrte er ihn andere sowie deren Nutzen. Auf schattigen Lichtungen pflückten sie Wintergrün und gruben wilden Ingwer aus, auf der Weide sammelten sie wilde Erdbeeren und Büschel von Klebkraut, Sauerklee und Ampfer für Köchins Suppen.
    Tobin misstraute dem Zauberer noch immer, aber er stellte fest, dass es ihm gelang, ihn zu dulden. Mittlerweile gebärdete sich Arkoniel nicht mehr so laut und wirkte nie Magie. Obwohl er kein Jäger war, wusste er ebenso viel wie Tobin übers Fährtenlesen und darüber, wie man sich im Wald zurechtfand. Sie streiften weit den Berghang hinauf, dann stießen sie auf einen Pfad und eine Lichtung, die Tobin vertraut erschienen. Aber er sah kein Anzeichen von Lhel.
    Ohne Arkoniels Wissen begleitete Bruder sie häufig als stumme, wachsame Gegenwart.
     
    Kaum hatten die Maurer ihre Arbeit in der großen Halle beendet, begannen die Maler, ihre Muster in den frischen Verputz zu kratzen. Während ein langes Musterband entlang der Oberkante einer Wand Gestalt annahm, legte Tobin den Kopf schief und meinte: »Das sieht ein wenig wie Eichenblätter und Eicheln aus, aber nicht ganz.«
    »Das soll gar keine Abbildung von irgendetwas sein«, erklärte Arkoniel. »Es ist bloß ein Muster, das die Augen erfreut. Erst werden Reihen über Reihen verschiedener Muster angefertigt, dann werden sie mit bunten Farben bemalt.«
    Sie erklommen das wackelige Gerüst, und Arkoniel ließ den Künstler Tobin zeigen, wie man ein Kantenlineal aus Messing und einen Greifzirkel verwendete, um die Formen zu kennzeichnen und die Linien gerade zu halten.
    Nachdem sie das Gerüst wieder verlassen hatten, rannte Tobin nach oben ins Spielzimmer und kramte die vernachlässigten Schreibunterlagen aus der Truhe hervor. Er breitete sie auf dem Tisch in seinem Zimmer aus und begann mit einer Reihe von Mustern, indem er die Finger als Greifzirkel und ein Stück einer abgebrochenen Übungsklinge als Kantenlineal verwendete. Mit einer halben Reihe war er bereits fertig, als er bemerkte, dass Arkoniel ihn von der Tür aus beobachtete.
    Tobin arbeitete zum Rand der Seite weiter, dann setzte er sich zurück, um seine Arbeit zu begutachten. »Das ist nicht besonders gut.«
    Arkoniel kam zu ihm und betrachtete das Muster. »Nein, aber auch nicht schlecht für den ersten Versuch.«
    So war der Zauberer. Während Nari lobte, was immer Tobin tat, ob es gut war oder nicht, ähnelte Arkoniel eher Tharin – er suchte stets nach den Vorzügen von Tobins Bemühungen, jedoch ohne sie mehr zu loben, als sie es verdienten.
    »Lass uns mal sehen, ob ich es kann.« Arkoniel ergriff einen Bogen Pergament von dem Stapel und drehte ihn um, dann stand er mit einem sonderbar elenden Ausdruck im Gesicht da. Diese Seite des Blattes bedeckten Zeilen schmaler Worte, die Tobins Mutter eines Tages geschrieben hatte, während er ihre Buchstaben nachfuhr. Tobin konnte sie nicht lesen, aber ihm entging nicht, dass sie Arkoniel bestürzten.
    »Was steht da?«, fragte der Junge.
    Arkoniel schluckte schwer und räusperte sich, aber Bruder riss ihm die Seite aus der Hand und schleuderte sie quer durch das Zimmer, bevor er sie zu Ende lesen konnte.
    »Es war bloß der Teil eines Gedichts über Vögel.«
    Tobin hob das Blatt auf und steckte es zuunterst in den Stapel, um Bruder nicht noch mehr zu erregen. Auf dem obersten Pergament befanden sich mehrere Zeilen mit Übungsbuchstaben, allesamt verschmiert und verwischt, weil Tobin sie nachgefahren war.
    »Mama hat mir das Alphabet beigebracht«, erklärte er und strich mit einem Finger über die Zeichen.
    »Ich verstehe. Möchtest du mir zeigen, was du bisher gelernt hast?« Arkoniel versuchte zu lächeln, als wäre alles in Ordnung, aber sein Blick wanderte immer wieder zu dem Pergament, das Bruder ihm entrissen hatte, und er wirkte dabei traurig.
    Mühsam schrieb Tobin die elf Buchstaben, die er kannte. Er hatte sie seit Monaten nicht mehr gezeichnet, und sie gerieten sehr krakelig. Einige waren sogar wieder verkehrt. Auch die Bezeichnungen und Aussprache der meisten hatte er vergessen.
    »Damit steht dir ein guter Anfang bevor. Möchtest du, dass

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