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Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling

Titel: Tamir Triad 01 - Der verwunschene Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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zurückgezogen. »Du kommst her, ich nehmen deine Furcht weg«, redete ihm die Stimme dicht an seinem Ohr gut zu.
    »Beim Licht, zeig dich!«, verlangte Arkoniel, der trotz seiner Überraschung neugierig wurde. »Lhel? Wo steckst du?«
    Er starrte in die Bäume, hielt Ausschau nach verräterischen Schatten, lauschte auf verstohlene Schritte. Alles, was zu ihm drang, war das Knistern von Laub im Wind. Es war, als hätte sie ein Portal in der Luft geöffnet, durch das sie zu ihm sprach. Und durch das sie ihre Hand steckte.
    Das ist ein Trick. Du siehst, was du sehen willst.
    Aber was, wenn dem nicht so ist?
    Die wichtigere Frage im Augenblick jedoch war, was sie nach all den Jahren hier wollte.
    »Komm zu mir, Arkoniel«, rief Lhel ihm hinter den Pappeln zu. »Komm in den Wald.«
    Er zögerte gerade lange genug, um einen schützenden Kraftkern tief in seinem Geist heraufzubeschwören, stark genug, so hoffte er, um jegliche Kreaturen der Finsternis fernzuhalten, die sie anrufen könnte. Dann nahm er allen Mut zusammen, schob sich durch das Dickicht der Äste und folgte der Stimme in den angrenzenden Wald.
    Das Licht zwischen den Bäumen war gedämpft, und das Gelände stieg vor ihm sanft an. Von der Kuppe des Hangs drang Gelächter zu ihm. Als Arkoniel aufschaute, erblickte er die Hexe neben einer großen Eiche schwebend, ein Dutzend Schritte von ihm entfernt. Lhel lächelte ihn an, umrahmt von einem länglichen Rund weichen, grünen Lichts. Rings um sie wogten Binsen und Rohrkolben, getüncht in den wabernden Schimmer eines von unsichtbarem Wasser zurückgeworfenen Lichts. Die Vision war so klar, dass er die genaue Trennlinie zwischen dem Trugbild und dem Wald ausmachen konnte – wie bei einem riesigen Gemälde, das mitten in der Luft hing.
    Sie gab ihm einen gezierten Wink, dann zerplatzte die gesamte Erscheinung wie eine Seifenblase am Waschtag.
    Arkoniel rannte zu der Stelle, an der er die Hexe gesehen hatte, und spürte dort das Kribbeln von Magie in der Luft. Er atmete sie ein und fühlte, wie sich eine längst vergessene Erinnerung regte.
    Vor Jahren, als er noch ein Kind in Ausbildung zum Zauberer gewesen war, hatte Arkoniel vermeint, ein ähnliches Trugbild gesehen zu haben. Damals war er in der Halle eines Adeligen im frühen Tageslicht aus einem Halbschlaf erwacht und hatte gesehen, wie am gegenüberliegenden Ende des Raumes lautlos Menschen aus dem Nichts auftauchten. Der Anblick hatte ihn sowohl geängstigt als auch erregt.
    Als er Iya später an jenem Morgen davon erzählte, hatte er jedoch enttäuscht erfahren müssen, dass es lediglich eine gewitzte Täuschung des Auges gewesen war, bei der eine bemalte Wand und die Anordnung eines Bildteppichs vor einem Bediensteteneingang mitgewirkt hatten.
    »In der Orëska-Magie hat es nie einen solchen Zauber gegeben«, hatte Iya ihm erklärt. »Selbst die Aurënfaie müssen wie wir von Ort zu Ort laufen.«
    Die Enttäuschung war mit der Zeit verblasst, nicht jedoch der anregende Eindruck. Es gab reichlich Zauber, um Gegenstände wie Schlösser, Türen oder Steine zu bewegen; demnach musste es auch möglich sein, sie zu versetzen. Der Gedanke war ihm jahrelang im Kopf herumgespukt, allerdings hatte er nie Fortschritte dabei erzielt, ihn zu verwirklichen. Er konnte eine Erbse mühelos über einen Teppich schieben, war jedoch außerstande, sie dazu zu bringen, durch eine Tür oder eine Wand zu gelangen, ganz gleich, wie sehr er meditierte und sich den Vorgang vorzustellen versuchte.
    Argwöhnisch schüttelte Arkoniel seine Träumerei ab. Dies musste ein Hexentrick sein, gekoppelt mit der Erinnerung, die sein Verstand in der Überraschung des Augenblicks hervorgesprudelt hatte.
    Lhels leiser Ruf drang abermals zu ihm herab und führte ihn zu einem Pfad, der sich nach rechts durch einen dichten Tannenhain wand. Von dort an fiel das Gelände steil ab, und schließlich gelangte Arkoniel zum Rand eines Sumpfes.
    Lhel wartete am Wasser auf ihn, umgeben von Rohrkolben und Knotensellerie, genau wie er sie zuvor gesehen hatte. Eindringlich starrte er sie an und versuchte, das neue Trugbild zu durchdringen, das sie ihm vorgaukelte, aber ihr Schatten fiel über den nassen Boden, wie es sein sollte, und ihre nackten Füße sanken in den weichen Schlamm, als sie einen Schritt auf ihn zukam.
    »Was tust du hier?«, verlangte er zu erfahren.
    »Ich hier auf dich gewartet«, erwiderte sie.
    Diesmal war es Arkoniel, der sich einen Schritt näher te. Sein Herz raste, doch er

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