Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
Klans konnte man mehr vertrauen als anderen.
Die Hitze verursachte in jenem Sommer weitere Dürren. Von ihrem geheimen Übungsgelände auf den Dächern aus konnten Tobin, Una und die anderen breite, braune Schwaden sehen, die gleich Narben die fernen Felder durchzogen, wo Trockenheit die Ernten vernichtet hatte.
Auch der sommerliche Himmel wurde besudelt. Außerhalb der Mauern war entlang des Hafens der Rote und Schwarze Tod ausgebrochen. Ganze Viertel wurden niedergebrannt, und über dem Wasser hingen mächtige Rauchsäulen. Im Westen stieg von den Beerdigungsstätten eine kleinere Wolke Qualm auf. Selbst Menschen, die ohne Anzeichen der Pest starben, wurden dort rasch verbrannt.
Aus dem Landesinneren trafen Berichte über tote Pferde und Ochsen und weitere Seuchen ein. Erius ordnete an, dass Vieh und Getreide von den wohlhabenden Fürsten der betroffenen Gegenden zu bezahlen seien. Niryns Spürhunde hängten jeden, der es wagte, von einem Fluch über dem Land zu sprechen, doch selbst das vermochte nicht, dem wachsenden Gemurmel Einhalt zu gebieten. In den Tempeln Illiors hatten die Amulettmacher mehr zu tun, als sie bewältigen konnten.
Die Gefährten auf dem Palatin wähnten sich von solchen Ereignissen unberührt, bis Porion ihnen verbot, sich weiter als zur Vogelfängerstraße in die Stadt zu wagen. Korin beschwerte sich darüber tagelang verbittert, zumal er dadurch von seinen liebsten Freudenhäusern im Hafen abgeschnitten war.
Wovon sie trotz allem noch reichlich hatten, war Wein, und trotz des missbilligenden Murren des Königs floss er reichlicher denn je zuvor. Sogar der sonst so maßvolle Caliel begann, mit geröteten Augen und verdrießlicher Laune zu den Schwertübungen zu erscheinen.
Die Gruppe um Tobin folgte seinem Beispiel und trank den Wein stark verwässert. Dank dieses Umstands waren sie in der Regel die Ersten, die morgens aufstanden, und sie erfuhren als Erste, dass sich Korins Knappe jüngst andere Orte zum Schlafen suchte.
»Was macht du denn hier?«, fragte Ruan, als sie Tanil zum ersten Mal in eine Decke eingewickelt neben dem Kamin im Speisesaal vorfanden. Dann stupste er den älteren Knappen spielerisch mit dem Stiefel. Üblicherweise antwortete Tanil auf derlei Hänseleien, indem er den Angreifer zu Boden rang, ihn kitzelte und den anderen bedeutete, sich mit ins Getümmel zu werfen. Stattdessen stapfte er diesmal wortlos hinaus.
»Wer hat dem denn in die Suppe gepinkelt?«, murmelte Ki.
Die anderen kicherten, abgesehen vom niedergeschlagenen Ruan, der Tanil verehrte.
»Ich wäre auch nicht allzu fröhlich, wenn ich die Nacht auf dem Fußboden verbracht hätte«, meinte Lutha. »Vielleicht hat er genug von Korins Schnarchen.«
»In letzter Zeit kommt Korin nachts wenig zum Schnarchen«, verriet Ki. Da sie unmittelbar neben dem Prinzen wohnten, hatten er und Tobin reichlich Poltern und Tuscheln gehört, um zu erahnen, dass Korin oft nicht alleine zu Bett ging.
»Tja, ich schätze, somit wissen wir, dass es nicht Tanil ist«, meldete sich Ruan zu Wort.
»Es war nie Tanil!«, empörte sich Lutha. »Nein, Korin hat etwas mit einem weiteren Dienstmädchen.«
»Das glaube ich nicht«, grübelte Nikides später, während er beim morgendlichen Rundlauf neben ihnen einherstolperte. Er war im Verlauf des Sommers ein wenig gewachsen und hatte den Großteil seines Knabenspecks verloren, trotzdem war er immer noch der Langsamste.
»Wie kommst du darauf?«, fragte Ki, der stets neugierig auf Klatsch war.
Nikides blickte geradeaus und vergewisserte sich, dass sich keiner der älteren Jungen in Hörweite befand. »Ich sollte wirklich nichts sagen …«
»Das hast du bereits, du Plappermaul. Also sag schon«, drängte ihn Lutha.
»Na ja, als ich unlängst bei Großvater zu Abend gegessen habe, hörte ich ihn zu meinem Vetter, dem Schatzkanzler, etwas über den Prinzen sagen, und …« Abermals schaute er nach vom, um sich davon zu überzeugen, dass sich Korin deutlich vor ihnen aufhielt. »Also er meinte … dass er sich mit Fürstin Aliya vergnügt.«
Selbst Ki zeigte sich entsetzt. Dienstmädchen oder sogar andere Jungen waren eine Sache, aber zu adeligen Mädchen wurde streng Abstand gewahrt.
Schlimmer noch, niemand konnte Aliya leiden. Sie mochte recht hübsch sein, aber sie behandelte jeden außer Korin gemein und herablassend. Sogar Caliel mied sie nach Möglichkeit.
»Ist euch das gar nicht aufgefallen?«, fragte Nikides. »Sie ist ständig mit ihm zusammen, und danach
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