Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
blitzte eine Leidenschaft, die Tobin noch nie an ihr gesehen hatte. »In Skala sind Frauen von jeher Kriegerinnen gewesen! Ki hat mir alles über seine Schwester erzählt. Ahra ist doch eine richtige Kriegerin, wie er behauptet, oder?«
»O ja!« Tobin war Ahra nur einmal begegnet, aber sie hatte ihm ein, zwei Dinge darüber gezeigt, wie man in einem Kampf handgemein wurde. Bei einem Zweikampf gegen die meisten Männer würde er auf sie setzten.
»Es ist einfach so ungerecht!« Una ließ seine Hand los, verschränkte die Arme vor der Brust und setzte eine finstere Miene auf. »Wäre ich keine Adelige, könnte ich in die Ränge eintreten so wie sie. Weißt du, meine Großmutter war Generalin. Und ich verrate dir ein Geheimnis«, fügte sie in vertraulichem Tonfall hinzu und beugte sich wieder erschreckend nah zu ihm. »Sie besucht mich manchmal in meinen Träumen auf einem großen weißen Schlachtross. Ich habe sogar ihr Schwert. Mutter hat es mir geschenkt. Aber Vater lässt mich mit keinem richtigen Waffenmeister üben. Nicht einmal leichtes Fechten. Und trotzdem, eines Tages könnte ich lernen, mit …« Plötzlich brach sie den Satz ab und bedachte Tobin mit einem verlegenen Lächeln. »Tut mir leid. Ich bin töricht, nicht wahr?«
»Nein! Ich habe dich schießen gesehen. Mit dem Bogen bist du so gut wie jeder von uns. Und du reitest wie ein Soldat. Sogar Meister Porion sagt das.«
»Wirklich?« Una strahlte übers ganze Gesicht. »Aber das hilft nichts, wenn man nicht mit dem Schwert umgehen kann. Ich muss mich mit Abhandlungen darüber und dem begnügen, was ich mir abschauen kann, wenn ihr Jungen übt. Manchmal werde ich dabei so neidisch. Ich hätte als Junge geboren werden sollen!«
Die Worte berührten Tobin auf eine Weise, die er nicht ganz verstand, und ohne nachzudenken, platzte er hervor: »Ich könnte dich unterrichten.«
»Wirklich? Und du willst nicht bloß höflich sein oder mich aufziehen, wie es die anderen Jungen tun?«
Kaum hatte Tobin die Worte ausgesprochen, wollte er sie zurücknehmen, doch das konnte er nicht – nicht, solange sie ihn so ansah. »Nein, ich werde dich unterrichten. Und Ki wird auch dabei helfen. Nur darf es niemand herausfinden.«
Ohne Vorwarnung beugte sich Una vor und küsste ihn mitten auf den Mund. Es war ein ungestümer Kuss, der Tobin die Lippen gegen die Zähne presste. Dann flüchtete sie, bevor er sich davon erholen konnte, ließ ihn mit offenem Mund und errötenden Zügen an der offenen Tür zurück.
»Bei Bilairys Hintern!«, murmelte Tobin und schmeckte Blut auf der Lippe. »Wieso hab ich das bloß gemacht?«
Wie es das Pech so wollte, gingen just in diesem Augenblick Alben und Quirion vorbei. Na, prima, dachte Tobin.
Quirion klebte an dem älteren Jungen wie Hundemist an einem Schuh.
»Was ist denn los? Hat sie dich gebissen?«, meinte Alben gedehnt.
Tobin drängte sich wütend an den beiden vorbei, hatte die Bakshi-Steine völlig vergessen.
»Was hast du denn?«, rief Quirion hinter ihm her. »Magst du es nicht, von Mädchen geküsst zu werden?«
Tobin wirbelte herum, wollte etwas darauf erwidern, stolperte darob über die eigenen Füße und fiel gegen einen der alten Wandbehänge, die den Gang säumten. Die Hängestange brach, und das staubige Gebilde segelte auf ihn herab wie ein eingestürztes Zelt. Die älteren Jungen johlten vor Gelächter.
»Blut, mein Blut; Fleisch, mein …«, flüsterte Tobin, dann hielt er sich eine Hand auf den Mund. Ihr Gelächter verhallte den Gang hinab, doch Tobin blieb, wo er war, entsetzt über das, was er beinah getan hätte. Er schlang in der stickigen Dunkelheit die Arme um sich und durchforstete abermals sein Gedächtnis, fragte sich, ob er nicht doch irgendwie Bruder gegen Orun herbeigerufen hatte.
Tobin vertraute die Begegnung mit Una am nächsten Tag Ki und Tharin an, als sie am Kamin in Tharins Zimmer saßen, ließ dabei jedoch die unerfreuliche Folgebegebenheit mit Alben weg. Er war alles andere als erfreut, als seine Freunde in Gelächter ausbrachen.
»Tob, du Spatzenhirn!«, rief Ki aus. »Una hat schon ein Auge auf dich geworfen, seit wir in Ero eingetroffen sind.«
»Auf mich?«
»Ja, auf dich. Willst du behaupten, dir sei nie aufgefallen, wie sie dich stets beobachtet?«
»Ist mir auch aufgefallen«, meinte Tharin, immer noch kichernd.
»Aber sie ist – bloß ein Mädchen!«
»Na ja, aber du magst doch Mädchen, oder?« Ki lachte. Tobin blickte mit finsterer Miene auf seine Stiefel
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