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Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin

Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin

Titel: Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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tränenüberströmte Gesicht und starrte Ki an. »Glaubst du wirklich?«
    »Ja. Er mag boshaft sein, aber er ist dein Bruder, und Orun hat dir wehgetan.« Ki berührte eine dünne, verblasste Narbe an seinem Hals. »Erinnerst du dich, als dich damals diese Berglöwin anspringen wollte? Du hast gesagt, Bruder habe sich damals zwischen dich und sie gestellt, bevor ich aufgekreuzt bin, als wolle er dich beschützen.«
    »Aber es war Lhel, die das Tier getötet hat.«
    »Mag sein, trotzdem ist Bruder gekommen. Und genauso ist er gekommen, als Orun dir wehgetan hat. Das hat doch noch nie zuvor jemand mit dir gemacht, oder?«
    Tobin wischte sich mit dem Ärmel das Gesicht ab. »Nein, außer …«
    »Wer?«, wollte Ki wissen und überlegte, um welchen der Gefährten er sich kümmern müsste.
    »Meine Mutter«, flüsterte Tobin. »Sie hat versucht, mich zu töten. Damals war Bruder auch da.«
    Kis Wut floss ab, ließ ihn sprachlos zurück.
    »Du darfst niemandem davon erzählen«, sagte Tobin und putzte sich die Nase. »Das wegen Orun, meine ich. Niemand darf von Bruder erfahren.«
    »Niryn höchstpersönlich würde es nicht aus mir herausbekommen. Das weißt du.«
    Tobin seufzte schaudernd und lehnte den Kopf an Kis Schulter. »Wenn in dem Brief gestanden hätte, dass du gehen musst, wäre ich wieder fortgerannt.«
    »Damit ich wieder hinter dir herhetzen müsste wie beim letzten Mal?« Ki versuchte, es scherzhaft klingen zu lassen, doch plötzlich spürte er einen Kloß im Hals. »Versuch's erst gar nicht. Ich werde dir Fußfesseln anlegen.«
    »Ich habe dir versprochen, dass ich das nicht tun werde. Wir würden gemeinsam ausreißen.«
    »Das ist in Ordnung. Aber jetzt solltest du dich ausruhen.«
    Statt Kis Rat zu befolgen, warf Tobin die Decke von sich und schlängelte sich an Ki vorbei aus dem Bett. »Ich will zu Bisir. Er hatte mit all dem nichts zu tun.«
     
    Tobin hatte die Halle fast erreicht, als ein neuer Gedanke vorübergehend alle anderen Sorgen verdrängte. Was hatte Bisir gesehen? Er verfluchte seine Schwäche, ob der er wie eine Frau in einer Ballade in Ohnmacht gefallen war. War Bruder bei ihm geblieben, nachdem er Orun getötet hatte? Wenn Orun den Geist sehen konnte, wäre das gewiss auch jemand anderem möglich gewesen. Er wappnete sich und betrat die Halle.
    Bisir stand händeringend am Kamin, umgeben von Tharin und den anderen. Kanzler Hylus saß als Einziger. Er musste geradewegs vom Hof gekommen sein, denn er trug noch seine Amtsrobe und die flache, schwarze Samtmütze, die von seinem Rang zeugte.
    »Da ist der Prinz, und er sieht viel besser aus, als ich erwartet hatte, den Vieren sei Dank!«, rief er aus. »Komm, setz dich zu mir, mein lieber Junge. Dieser junge Mann war gerade dabei, uns von der abscheulichen Behandlung zu berichten, die du erleiden musstest.«
    »Fahr fort, Bisir. Erzählt Prinz Tobin, was du uns erzählt hast«, forderte Iya den Kammerdiener auf.
    Bisir bedachte Tobin mit einem forschenden Blick. »Wie ich gerade erklärt habe, mein Prinz, sah ich nur Euch und den Fürsten auf dem Boden liegen, als ich das Gemach betrat.«
    »Aber du hattest gelauscht«, meldete sich Niryn in strengem Tonfall zu Wort.
    »Nein, Herr! Das heißt … neben der Tür steht ein Stuhl für mich. Ich bleibe immer dort, falls Fürst Orun mich ruft.«
    Hylus hob eine zerbrechliche, altersfleckige Hand. »Beruhige dich, junger Mann. Du wirst keines Verbrechens beschuldigt.« Er bedeutete Ulies, dem verängstigten Kammerdiener einen Becher Wein zu bringen.
    »Danke, Herr.« Bisir trank einen Schluck, woraufhin etwas Farbe in sein Gesicht zurückkehrte.
    »Gewiss musst du etwas gehört haben«, half der alte Kanzler ihm auf die Sprünge.
    »Ja, Großkanzler. Ich habe gehört, wie mein Herr wütend mit dem Prinzen gesprochen hat. Es war falsch von ihm, so mit dem Prinzen zu reden.« Er setzte ab und schluckte unruhig. »Verzeiht, Herren. Ich weiß, ich sollte nicht schlecht von meinem Herrn reden, aber …«
    »Das ist belanglos«, fiel Iya ihm ungeduldig ins Wort. »Du hast also gehört, dass Orun gebrüllt hat. Was geschah dann?«
    »Dann ertönte dieser entsetzliche Schrei! Ich rannte sogleich hinein und fand beide besinnungslos auf dem Teppich vor. Zumindest dachte ich das. Als ich das Gesicht meines Herrn sah …« Abermals zuckte sein Blick zu Tobin, und diesmal bestand kein Zweifel daran, dass Bisir Angst hatte. »Fürst Oruns Augen standen offen, aber – bei den Vieren, ich werde nie vergessen, wie

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