Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
eigene Klinge. Trotzdem fühlte sich der Griff aus vergilbtem, mit geflochtenem Golddraht umwickelten Elfenbein gut in seiner Hand an. Tobin senkte die Spitze und begutachtete den mächtigen Rubin mit dem Königlichen Siegel von Skala im gerillten Knauf. Dies war ein Muster, das er schon oft in umgekehrter Form gesehen hatte, nämlich ins Wachs am Ende der Briefe seines Onkels gedrückt: Illiors Drache, der Sakors Flamme in einem Halbmond auf dem Rücken trug.
»Das Schwert, das König Thelátimos an Ghërilain überreichte«, sagte Korin, nahm es an sich und drehte die Klinge so herum, dass sich das Licht darin fing. »All die Jahre später ist es in die Hand eines Königs zurückgekehrt.«
»Und eines Tages geht es in deine Hand weiter, mein Sohn«, fügte Erius stolz hinzu.
Tobin starrte auf das Schwert und versuchte, sich vorzustellen, wie seine zerbrechliche, unberechenbare Mutter diese Waffe als Kriegerin schwang. Es gelang ihm nicht.
Plötzlich wurde ihm zum zweiten Mal an diesem Tag bewusst, dass Niryn ihn beobachtete. Stolz verdrängte seine Furcht. Er dachte ausschließlich an das Gefühl des Schwertes in seiner Hand und erwiderte den starrenden Blick des Zauberers. Diesmal war es nicht Tobin, der die Augen als Erster abwandte.
K APITEL 20
Es war lange nach Mitternacht, als Solari und die Gefährten Erius und seine Gruppe aus dem Festsaal begleiteten. Tobin blieb dicht bei Tharin und hielt sich so fern wie möglich von Niryn, als sie sich geräuschvoll den Weg nach oben bahnten.
Unwillkürlich warf er fortwährend verstohlene Blicke auf den König und versuchte, diesen herzlichen, lachenden Mann mit den Geschichten in Einklang zu bringen, mit denen er aufgewachsen war. Aber es war, als wollte er seinen Körper an dessen langem Abendschatten messen: sie passten einfach nicht zusammen. Verwirrt gab er es schließlich auf. Sein tückisches Herz sehnte sich nach einem neuen Vater, aber die Erinnerung an seine Mutter suchte ihn noch zu sehr heim, um alle Vorsicht fahren zu lassen.
Von einem jedoch war er nach allem, was Iya und Lhel ihm erzählt und was er hier gesehen hatte, völlig überzeugt: Ob es gut war oder schlecht, der König hielt die Fäden seines Lebens in jenen grobschlächtigen Kriegerhänden. Erius hatte ihm erst Orun vorgesetzt und nun Solari die Verantwortung für Atyion übertragen. Trotz der scheinbaren Freiheit, die Tobin unter den Gefährten genoss, wurde sein Leben in Ero ebenso wie einst in der Feste von anderen beherrscht, und diesmal von Leuten, denen er nicht zu vertrauen wagte. Vorerst empfand er es als sicherer, so zu tun, als liebte er den Mann, den er Onkel nennen musste. Und vorläufig schien das Gefühl aufrichtig erwidert zu werden.
Das Zimmer des Königs befand sich neben jenem, das Tobins Eltern gehört hatte. Vor der Tür hielt Erius inne, fasste sich mit Tharin an den Händen und ergriff anschließend erneut Tobins Kinn, um ihm in die Augen zu blicken. »Beim Licht, es ist fast, als sähe ich deine Mutter wieder. So blau – blau wie der Abendhimmel im Sommer.« Er seufzte. »Ersuch mich um eine Gunst, Kind. Um meiner Schwester willen.«
»Eine Gunst, Onkel? Ich – ich weiß nicht. Ihr wart bereits so großzügig.«
»Unsinn, es muss doch etwas geben, das du dir wünschst.«
Alle starrten ihn an. Tharin schüttelte leicht den Kopf, als wollte er ihn warnen. Ki stand grinsend bei den anderen Knappen und zuckte angeheitert mit den Schultern.
Vielleicht lag es am Wein, der Tobin kühn machte, vielleicht auch daran, dass er in jenem Augenblick Magos hämisches Lächeln erblickte. »Ich brauche zwar nichts für mich selbst, Onkel, aber es gibt tatsächlich etwas, das ich mir wünsche.« Er wagte nicht, zu Ki zu schauen, als er fortfuhr. »Würdet Ihr bitte den Vater meines Knappen adeln?«
»Das ist ein feiner Wunsch«, befand Korin betrunken. »Ki ist so gut wie jeder von uns. Er kann nichts dafür, dass er nur ein Wald- und Wiesenritter ist.«
Erius zog eine Augenbraue hoch und kicherte. »Ist das alles?«
»Ja«, antwortete Tobin ermutigt. »Ich bin noch nicht volljährig, um ihm diese Gunst zu gewähren, deshalb bitte ich Euch untertänigst, es in meinem Namen zu tun. Ich möchte Sir Larenth gern zum Herzog machen, und zwar von – « Er durchkramte sein Gedächtnis nach all den Ländereien, die er besaß, aber noch nie gesehen hatte. Eine Gegend schien so gut wie die andere. »Von Cirna.«
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, wusste er, dass ihm ein
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