Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
alles?«
»Manchmal kann der Lichtträger sehr geradlinig sein, Tamír.« Sie sah so verloren und jung aus, dass er ihr die Hand entgegenstreckte. Stirnrunzelnd zögerte sie kurz, dann kam sie näher und setzte sich steif neben ihn auf die Bettkante.
»Auch nach all den Monaten fühle ich mich immer noch wie ein Heuchler in diesem Körper.«
»Verglichen mit deinem Leben davor ist das noch keine lange Zeit. Obendrein hattest du so viel, worum du dich kümmern musstest. Es tut mir leid, dass es so sein musste.«
Sie starrte ins Feuer und blinzelte heftig, um nicht zu weinen. Schließlich murmelte sie: »Ich kann nicht glauben, dass mein Vater einfach tatenlos zugesehen hat. Wie konnte er das seinem eigenen Kind antun?«
»Bis zu dieser Nacht kannte er nicht das volle Ausmaß des Plans. Falls es dir ein Trost ist, er war am Boden zerstört. Ich glaube nicht, dass er sich je richtig davon erholt hat. Illior weiß, er wurde bestraft, indem er mit ansehen musste, was es deiner Mutter und dir antat.«
»Kannten du und Iya ihn gut?«
»Ja, wir hatten die Ehre. Er war ein großartiger und gutherziger Mann, zudem ein unvergleichlicher Krieger. Du ähnelst ihm stark. Du besitzt all seine Tapferkeit und sein großes Herz. Auch seine Weisheit erkenne ich bereits in dir, so jung du noch sein magst. Aber du hast auch die besten Eigenschaften deiner Mutter aus der Zeit, bevor du geboren wurdest.« Er berührte den Ring mit den Abbildungen ihrer Eltern. »Ich bin froh, dass du das gefunden hast. Du verfügst über alles, was gut in den beiden war, und der Lichtträger hat dich nicht zufällig ausgewählt. Du bist Illiors Auserkorene. Vergiss das nie, ganz gleich, was geschieht. Du wirst die beste Königin werden, die Skala seit Ghërilain erlebt hat.«
»Ich hoffe, du hast Recht«, sagte sie traurig und ging.
Arkoniel saß eine Weile da und starrte ins Feuer. So erleichtert er über den Einklang zwischen ihnen war, der überlebt hatte. Sein Herz schmerzte dennoch, einerseits über den Verlust Iyas, andererseits darüber, wie stark und doch auch zerbrechlich Tamír nach wie vor war. Auf deren schmalen Schultern lastete eine schwere Bürde. Er beschloss, ihr noch besser dabei zu helfen, sie zu tragen.
Mit diesem Gedanken ging Arkoniel hinaus und bahnte sich den Weg zum Hort des Orakels. Zum ersten Mal in seinem Leben suchte er den Ort alleine auf, die Fragen, die er zu stellen gedachte, fest im Sinn.
Die maskierten Priester ließen ihn hinab, und er fand sich umhüllt von der vertrauten Finsternis wieder. Diesmal verspürte er keine Furcht, nur Entschlossenheit.
Als seine Füße den Boden berührten, setzte er sich sogleich in Richtung des sanften Schimmers in Bewegung.
Die Frau, die auf dem Schemel des Orakels saß, mochte dasselbe Mädchen sein, mit dem er damals gesprochen hatte. Es war schwer zu sagen, und niemand außer dem Hohepriester von Afra wusste, wie die Orakel ausgewählt wurden oder wie viele es jeweils gleichzeitig gab. Auch handelte es sich nicht immer um ein Mädchen oder eine Frau. Er kannte Zauberer, die hier mit jungen Männern gesprochen hatten. Die einzige Gemeinsamkeit schien ein Hauch von Wahnsinn oder Einfältigkeit zu sein.
Sie schüttelte das zerzauste Haar zurück und sah ihn an, als er auf dem Schemel ihr gegenüber Platz nahm. Ihre Augen leuchteten bereits mit der Macht des Gottes, und als sie sprach, besaß ihre Stimme diese sonderbare Klangfarbe, die mehr als menschlich war.
»Willkommen zurück, Arkoniel«, sagte sie, als läse sie seine Gedanken. »Du stehst an der Seite der Königin. Gut gemacht.«
»Meine Aufgabe hat erst begonnen, nicht wahr?«
»Du hättest nicht hierher kommen müssen, um das zu wissen.«
»Nein, aber ich will dein Geleit, erhabener Illior. Was muss ich tun, um ihr zu helfen?«
Sie schwenkte eine Hand, und die Dunkelheit neben ihnen öffnete sich wie ein riesiges Fenster, hinter dem die Stadt auf den Felsen erschien, voll von prächtigen Häusern, grünen Parks und breiten Straßen. Sie war weit größer als Ero und sah sauberer und geordneter aus. In ihrem Herzen standen zwei Paläste. Einer war niedrig und wirkte wenig einladend, eine in die Umfassungsmauer eingebaute Festung. Der andere glich einem riesigen, hoch aufragenden und anmutigen Turm mit vier Seiten und schmaleren Giebeltürmen an jeder der vier Ecken. Dieses Bauwerk schützte nur eine einzige Mauer, und das Gelände im Inneren beherrschten Gärten. Arkoniel erblickte dort Männer, Frauen und
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