Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
anderen Säuglinge verdorben.«
»Eine höchst praktische Erklärung, die ich nur allzu gern gefördert habe. Die Wahrheit allerdings sieht etwas anders aus, fürchte ich.« Er kam zu ihr und streichelte ihr mit einem behandschuhten Finger über die Wange. Nalia verharrte wie erstarrt vor Abscheu. »Du brauchst nicht um dein Kind zu fürchten, Nalia. Deine Tochter wird vollkommen sein.« Er verstummte und fuhr das Geburtsmal nach, das ihre Wange und ihr fliehendes Kind verunstaltete. »Nun, vielleicht nicht vollkommen, aber kein Ungeheuer.«
Nalia schrak zurück. »Du warst das! Du hast diese anderen Kinder verdorben.«
»Diejenigen, bei denen es nötig war. Junge Mädchen verlieren das erste Kind häufig auch ohne fremdes Zutun. Bei den anderen war es ein einfaches Unterfangen.«
»Du bist das Ungeheuer! Korin würde dich bei lebendigem Leib verbrennen, wenn er es wüsste.«
»Mag sein, aber er wird es nie erfahren.« Das schmale Lächeln des Mannes weitete sich zu einem boshaften Grinsen. »Wer sollte es ihm verraten? Du etwa? Bitte, ruf ihn auf der Stelle und versuch es.«
»Der Bann, mit dem du mich belegt hast …«
»Ist nach wie vor in Kraft. Tatsächlich habe ich dich mit einer Reihe von Zaubern umgeben, meine Liebe, alles, um für deine Sicherheit zu sorgen. Du darfst ihn nicht mit Belanglosigkeiten belästigen, wenn er so viele wichtigere Dinge hat, die ihm Sorgen bereiten. Du musst wissen, er fürchtet sich entsetzlich vor Gefechten.«
»Lügner!«
»Ich versichere dir, es ist wahr. Dabei hatte ich nicht einmal die Hand im Spiel; es entspricht einfach seinem Wesen. Mit dir allerdings hat er seinen Zweck vortrefflich erfüllt. Im Begatten hat er sich schon immer ausgezeichnet.«
»Deshalb hast du mich all die Jahre versteckt gehalten«, murmelte Nalia.
»Selbstverständlich.« Er trat hinaus auf den Balkon und bedeutete ihr, ihm zu folgen. »Schau hinaus«, forderte er sie auf und deutete mit ausladender Geste auf die versammelte Armee. »Das ist auch mein Werk. Ein Heer, bereit, den Anspruch deines Gemahls ein für alle Mal zu sichern. Und so wird es kommen. Sein wahnsinniger Vetter verfügt nicht einmal über halb so viele Männer.«
Nalia blieb an der Tür, während Niryn sich auf die Zinne lehnte. »Korin wird gewinnen? Hast du das gesehen?«
»Das spielt jetzt wohl kaum eine Rolle mehr, oder?«
»Was soll das heißen? Wie könnte es keine Rolle spielen?«
»In meinen Visionen sehe ich nicht Korin, mein liebes Mädchen, sondern das Kind in deinem Leib. Lange Zeit habe ich das falsch gedeutet, und es hat mich beträchtliche Mühen gekostet, aber jetzt wird alles klar. Das Mädchen, das ich vorhergesehen habe, ist deine Tochter. Im Augenblick kann das Volk nur zwischen einem von Illior verfluchten Thronräuberkönig und einem wahnsinnigen, durch Totenbeschwörerei gezeugten Mädchen wählen.«
»Mädchen? Redest du von Prinz Tobin?«
»Ich bin nicht völlig sicher, was Tobin ist, und es ist mir auch einerlei. Niemand vermag, das wahre Blut und die wahre Gestalt deiner kleinen Tochter anzufechten, wenn sie geboren wird. Sie entstammt der reinsten königlichen Erblinie.«
»Was ist mit meinem Gemahl?«, fragte Nalia, als nackte Angst sie beschlich. »Wie kannst ausgerechnet du ihn als Thronräuber bezeichnen?«
»Weil er das ist. Du kennst die Prophezeiung so gut wie ich. Korin und vor ihm sein Vater waren nützliche Platzhalter, mehr nicht. Skala muss eine Königin erhalten. Wir geben dem Reich eine.«
»Wir?«, flüsterte Nalia mit plötzlich trockenen Lippen.
Niryn beugte sich vor und beobachtete das Treiben unten mit augenscheinlicher Belustigung. »Sieh sie dir an, wie sie emsig mit Visionen vom Sieg umherwuseln. Korin denkt, er wird Ero wieder aufbauen. Er sieht sich bereits dort mit seinen Kindern spielen.«
Nalia klammerte sich am Türrahmen fest, als ihre Knie unter ihr einzuknicken drohten. »Du … du glaubst, er kommt nicht zurück?«
Mittlerweile wirkte der Himmel deutlich heller. Sie bemerkte den verschlagenen Seitenblick, mit dem er sie bedachte.
»Ich vermisse dich, Nalia. Oh, ich mache es dir nicht zum Vorwurf, dass du wütend auf mich bist, aber der Anschein musste gewahrt bleiben. Aber mal ehrlich, du willst doch nicht behaupten, dass du ihn liebst, oder? Ich kenne sein Herz, meine Liebe. Du bist für ihn nicht mehr als ein paar Beine, zwischen denen es einen Mutterleib zu befruchten gilt.«
»Nein!« Nalia hielt sich die Ohren zu.
»Oh, er schmeichelt sich
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