Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
Sie fasste sich an den Hals, als Tränen einsetzten. Tomara kam herein und rannte zu ihr, um sie in die Arme zu nehmen. Auch Fürst Alben war da und hielt Korin an der Schulter fest, und Meister Porion, außerdem andere, die Nalia nicht kannte. Unten auf dem Hof heulte jemand. Es hörte sich nach einem jungen Mann an.
Abermals versuchte Nalia, Korin die Wahrheit zu sagen, aber das Grauen in seinen Augen brachte sie ebenso zum Verstummen wie die Magie, die ihre Zunge nach wie vor fesselte. Schließlich gelang es ihr zu flüstern: »Er ist gefallen.«
»Ich … ich habe … dich gesehen …«, stammelte Korin und schüttelte langsam den Kopf. »Ich habe dich gesehen!«
»Schließt diese Tür«, befahl Porion und deutete an Nalia vorbei zur Balkontür. »Schließt sie und versiegelt sie. Verriegelt auch die Fenster!« Dann zerrte er an Korin und schleifte ihn von ihr weg, bevor sie Worte finden konnte, um es ihnen begreiflich zu machen.
Er war böse! Er wollte dich benutzen, wie er mich benutzt hat. Er wollte deinen Platz einnehmen!
Die Worte wollten nicht kommen.
»Ich habe dich gesehen«, stieß Korin erneut keuchend hervor, ehe er sich abwandte und aus dem Zimmer stapfte. Die anderen folgten ihm, und Nalia hörte, wie Korin zornig ausrief: »Das ist der Wahnsinn! Er liegt im Blut. Passt auf sie auf! Sorgt dafür, dass sie meinem Kind kein Leid antut!«
Nalia sank schluchzend in Tomaras Arme und weinte noch lange, nachdem die Geräusche der Pferde und Hörner draußen in der Ferne verhallt waren. Korin war in den Krieg aufgebrochen. Selbst wenn er je zurückkehrte, würde er sie nie wieder anlächeln.
Aber ich bin endlich frei von Niryn, dachte sie und tröstete sich mit dem Wissen. Mein Kind wird nie von seiner Berührung oder diesem falschen Lächeln besudelt werden!
Kapitel 45
An dem Tag, als Tamír ihre Armee aus Atyion führte, war der spätsommerliche Himmel blau wie Lapis aus Zengati. In den Weingärten entlang der Straße schnitten Frauen schwere Reben ab und sammelten sie in tiefen Körben.
Auf den fernen Weiden tollten Hunderte stramme Fohlen zwischen den riesigen Herden umher, und die Kornfelder schimmerten wie Gold.
Tharin ritt neben ihr, war noch nicht bereit, sich zu verabschieden. Hinter ihnen marschierten die Ränge der Soldaten, Bogenschützen und berittenen Krieger unter ihrem Banner und den Wappen von über einem Dutzend Adelshäusern von Ilear bis Erind.
Andere Kämpfer, die aus Weilern und von Gehöften erhoben worden waren, besaßen nur Messer, Sicheln oder Knüppel, dennoch gebärdeten sie sich so stolz wie die Fürsten, die sie anführten.
Die Gefährten trugen lange, blaue Röcke mit ihrem Wappen auf der Brust, dazu das Bandelier ihres Hauses.
Lutha und Barieus wirkten stolz, wenngleich ein wenig unbehaglich, und unterhielten sich angeregt mit Una, die am Vortag mit mehreren Regimentern aus Ylani zurückgekehrt war.
Mahti ritt vorläufig bei den Zauberern und trug sein Oo’lu anstatt eines Schwertes über dem Rücken. Die Kunde von ihrem seltsamen Führer hatte sich rasch verbreitet, da Soldaten nun mal gerne tratschten. Auch die Neuigkeit der unverhofften Zuneigung der Königin zum Hügelvolk hatte wie ein Lauffeuer um sich gegriffen. Unter den Rängen wurde zwar gemurrt, aber die Fürsten und Hauptleute sorgten dafür, dass es dabei blieb.
Mitte des Nachmittags deutete Mahti ins Landesinnere auf die Berge. »Wir gehen diese Weg.«
Tamír schattete die Augen ab. Es gab keine Straße, nur leicht hügelige Felder, Weiden und bewaldete Kuppen dahinter.
»Ich sehe keinen Pass«, sagte Ki.
»Ich kennen Weg«, beharrte Mahti.
»Na schön. Wir schwenken nach Westen.« Tamír zügelte ihr Pferd, um sich von Tharin zu verabschieden.
Er bedachte sie mit einem traurigen Lächeln, als sie sich die Hände reichten. »Diesmal reitest du statt mir fort.«
»Ich erinnere mich noch allzu gut daran, wie es sich anfühlte, wenn ich dir und Vater nachgeschaut habe. Wenn wir uns wiedersehen, werden wir einander einige gute Geschichten zu erzählen haben.«
»Mögest du das Schwert Ghërilains in Händen halten, bevor der Schnee fällt.« Damit hob er die eigene Klinge an und brüllte: »Für Skala und Tamír!«
Die Armee stimmte in den Ruf ein, und die Worte wogten wie eine Flut den langen Tross entlang.
Mit einem letzten Winken wirbelten Tharin und seine Garde die Pferde herum und galoppierten zurück in Richtung Atyion.
Tamír sah ihm noch eine Weile nach, ehe sie den Blick
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