Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
Feuer erwartete, das ihren anderen Körper hinweggebrannt hatte.
Doch diesmal war es völlig anders.
Lhel saß dicht bei Mahti, flüsterte ihm ins Ohr und zeigte ihm, wonach er suchen musste. Es war ein Frauenzauber, den er aufhob, und er musste darauf achten, nichts zu beschädigen, was bleiben sollte.
Bruder kauerte sich neben Tamír und starrte nicht das Mädchen, sondern Lhel an.
Mahti begann mit dem Wasserlied, aber die Melodie änderte sich. Er kannte dieses Lied; es war das erste gewesen, das er auf Aufenthalt gespielt hatte. Nun zeigte es ihm die dicke, knorrige Nabelschnur, die Bruder und Schwester miteinander verband, außerdem die Geistform des Knabenkörpers, der noch wie Reste einer abgeblätterten Schlangenhaut an dem Mädchen hing.
Zwischen den Schenkeln befand sich immer noch das verschrumpelte Abbild eines Glieds. Sein Lied ließ die letzten Überbleibsel des Geistkörpers abfallen, sodass nur lebendiges Fleisch zurückblieb.
Schlangenhautlied , so würde er es nennen, sollte er es je wieder brauchen. Stumm dankte er Lhel dafür.
Die Nabelschnur, die das Mädchen und dessen Bruder miteinander verknüpfte, erwies sich als zäh wie eine alte Wurzel, doch das Lied brannte auch durch sie hindurch, und sie zerstob wie Asche zwischen ihnen.
Geh jetzt, flüsterte er in Gedanken zu Bruder.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie sich Lhel erhob und den zitternden Dämon an der Hand nahm. Kind, lass dieses Leben los, das nie das deine war. Geh und ruh dich für das nächste aus.
Sie umarmte die fahle Gestalt. Einen Augenblick erwiderte Bruder die Geste wie ein lebender Junge, dann verschwand er seufzend.
Gut gemacht, flüsterte Lhel. jetzt sind beide frei.
Mahti jedoch bemerkte einen weiteren dunklen Strang, der Tamír mit einem Geist draußen verband. Er spielte das Messerlied und befreite den Toten mit den düsteren Augen, damit auch er Frieden finden konnte.
Ein weiterer sehr alter Faden erstreckte sich vom Herzen des Mädchens in weite Ferne. Mahti tastete sich daran entlang. Am anderen Ende lauerte ein zorniger, verwirrter Geist. Mutter.
Durchtrenn diesen Strang auch, flüsterte Lhel.
Mahti tat es und vernahm ein kurzes, entferntes Aufheulen.
Wie bei allen Menschen rankten sich zahlreiche weitere Verbindungen um sie, manche gut, andere weniger. Jene zwischen Tamír und dem Jungen in ihren Armen war die stärkste und schillerte grell wie ein Blitz.
Lhel berührte sie und lächelte. Diese bedurfte keinen von Mahtis Zaubern.
Nachdem er mit dem Herzen des Mädchens zufrieden war, spielte er weiter, um die Schmerzen aus ihren Wunden zu entfernen, dann wandte er die Aufmerksamkeit der roten Nachtblume ihres Mutterleibs zu. Dort hatte Lhels Bindungszauber nicht so tief gewirkt. Trotz der schmalen Hüften und kleinen Brüste wartete in ihrem Inneren fruchtbarer Boden darauf, bestellt zu werden. Mahti wandte seine Magie stattdessen auf das knochige Joch ihres Beckens an, damit ihre Kinder in den kommenden Jahren einfacher herausschlüpfen konnten.
Erst, als er fertig war, stellte er fest, dass Lhel verschwunden war.
Tamír überraschte, wie angenehm sich Mahtis seltsame Musik anfühlte. Statt des kalten, kriechenden Empfindens, das sie von Niryn kannte, oder der schwindelerregenden Wirkung von Arkoniels Sichtungszaubern verspürte sie lediglich eine wohltuende Wärme. Als er zu spielen aufhörte, schlug sie seufzend die Augen auf und fühlte sich ausgeruhter als seit Tagen.
»Das war alles?«
»Ja. Jetzt du sein nur noch du«, gab Mahti zurück und tätschelte ihr Knie.
»Wie fühlst du dich?«, krächzte Ki und spähte mit zusammengekniffenen Augen zu ihr empor, als erwarte er, eine äußere Veränderung zu erkennen.
Eine Weile verharrte sie reglos und kehrte ihren Blick nach innen. Es hatte tatsächlich eine Veränderung stattgefunden, allerdings eine, die sie nicht in Worte zu fassen vermochte. »Danke«, flüsterte sie schließlich. »Ich schulde dir so viel.«
»Halten Versprechen und dich erinnern an Lhel und mich.« Mahti bedachte sie mit einem letzten, innigen Lächeln, erhob sich und verließ das Zelt.
Als sie wieder mit Ki alleine war, hob sie die Finger seiner heilen Hand an die Lippen und küsste sie. Frische Tränen brannten hinter ihren Lidern. »Du hättest fast dein Versprechen mir gegenüber gebrochen, du Mistkerl«, brachte sie letztlich hervor.
»Wirklich? Aber nein.« Ki lachte leise. Einige Augenblicke schwieg er und starrte unstet in die Schatten über ihnen. Tamír
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