Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
Stimmung der vergangenen Wochen.
»Wir sollten umkehren«, murmelte Luchs schließlich und zupfte an dem Tuch vor seinem Gesicht. »Ich weiß nicht, warum du immer wieder hierher zurückkehrst. Es ist bedrückend.«
»Geh nur. Ich habe dich nicht gebeten mitzukommen.« Ki trieb sein Pferd an.
Luchs folgte ihm. »Du hast seit Tagen nicht geschlafen.«
»Ich schlafe sehr wohl.«
Er sah sich um und stellte fest, dass sie im Schauspielhausviertel gelandet waren. Die einst vertraute Gegend wirkte wie eine Landschaft aus einem bösen Traum. Ki fühlte sich hier so sehr wie ein Geist, wie Bruder einer war. Was immer noch besser ist, als sich auf dieser einsamen Pritsche herumzuwälzen, dachte er verbittert.
Untertags war es einfacher. Die meiste Zeit weigerte sich Tamír immer noch, Frauenkleider zu tragen, und es gab Augenblicke, in denen es Ki gelang, sich vorzugaukeln, er sähe Tobin. Wenn er sich jedoch zu schlafen gestattete, träumte er von Tobins traurigen Augen, verloren im Gesicht einer Fremden.
Deshalb begnügte er sich stattdessen mit kurzen Nickerchen und ritt des Nachts seine Träume hier in Grund und Boden. Luchs hatte sich angewöhnt, ihn unaufgefordert zu begleiten. Ki wusste nicht, ob Tamír ihn mitgeschickt hatte, um ihn im Auge zu behalten, oder ob er es selbst auf sich genommen hatte, über ihn zu wachen. Vielleicht war es eine Gewohnheit aus seiner Zeit als Knappe. Was immer zutreffen mochte, Ki war es in den vergangenen Nächten nie gelungen, ihn abzuschütteln. Nicht, dass Luchs unangenehme Gesellschaft gewesen wäre. Tatsächlich sprach er wenig und überließ Ki den düsteren Gedanken, die ihn unverändert heimsuchten, ganz gleich, wie sehr er versuchte, sie fernzuhalten.
Wie konnte ich all die Jahre in Unwissenheit gelebt haben? Wie konnte Tobin ein solches Geheimnis vor mir bewahren?
Diese zwei Fragen brannten an den Rändern seiner Seele, wenngleich es ihn beschämt hätte, sie laut auszusprechen. Immerhin hatte Tobin deutlich mehr gelitten. Sie hatte die Bürde jenes Geheimnisses alleine getragen, um sie alle zu beschützen. Das hatte Arkoniel äußerst deutlich zum Ausdruck gebracht.
Alle anderen, sogar Tharin, hatten sich bereitwillig damit abgefunden. Nur Luchs schien Ki zu verstehen. Er konnte es sehen, wenn er seinen stummen Freund anblickte. In gewisser Weise hatten sie beide ihren Herrn verloren.
Tamír war noch wach, als sich Ki ins Zimmer schlich. Ki wähnte sie schlafend, und sie lag still unter der Decke, musterte im matten Schein der Nachtlampe seine Züge, als er den Raum zum Ankleidezimmer durchquerte. Er sah müde aus, zudem auf eine Weise traurig, die er sich untertags nicht anmerken ließ. Tamír war versucht, ihn zu rufen und in das zu große Bett einzuladen. Es erschien ihr falsch, dass Ki wegen seiner Treue leiden sollte. Doch bevor sie den Mut dafür zusammennehmen oder das Unbehagen überwinden konnte, das ihr der nasse, zwischen ihre Schenkel gebundene Lappen bereitete, war er im Nebenzimmer verschwunden. Sie hörte, wie er sich auszog, dann vernahm sie das Knarren der Bettstricke.
Tamír drehte sich herum und beobachtete, wie das Licht seiner Kerze in der Türöffnung Schatten tanzen ließ. Dabei fragte sie sich, ob er so schlaflos wie sie auf dem Bett lag und sie ebenfalls betrachtete.
Am nächsten Morgen sah sie Ki beim Frühstück gähnen. Er wirkte ungewöhnlich blass und müde. Nach dem Essen nahm sie allen Mut zusammen und zog ihn beiseite.
»Wäre dir lieber, dass ich nachts Una deinen Platz einnehmen lasse?«, fragte sie.
Ki zeigte sich aufrichtig überrascht. »Nein, natürlich nicht!«
»Aber du schläfst nicht! Wenn du erschöpft bist, nützt du mir nichts. Was stimmt denn nicht?«
Er zuckte mit den Schultern und bedachte sie mit einem Lächeln. »Unruhige Träume, das ist alles. Ich werde mich besser fühlen, wenn du dich in Atyion niedergelassen hast.«
»Bist du sicher?«
Sie wartete, gab ihm die Gelegenheit, etwas hinzuzufügen. Tamír wünschte aus ganzem Herzen, er täte es, selbst wenn sie vielleicht nicht hören wollte, was er zu sagen hätte, aber er lächelte nur weiter und klopfte ihr auf die Schulter. Und so ließen sie beide ihre wahren Gedanken unausgesprochen.
Kapitel 10
Niryn stand auf den Zinnen und genoss die feuchte Nachtluft. Korin hatte sich wieder hinauf in Nalias Turm begeben. Während der Zauberer hinaufblickte, wurde das Licht dort oben gelöscht.
»Gebt Euch Mühe, mein König«, flüsterte Niryn.
Er
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