Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
den Blick durch die dunkle Festung wandern ließ, genoss er einen Anflug von Stolz. Dies war sein Werk, genau wie zuvor das Verbrennen der Anhänger Illiors und die Verbannung unzähliger halsstarriger Adeliger. Es bereitete ihm besondere Freude, hochwohlgeborene Fürsten und Fürstinnen hinunter in den Staub zu befördern. Er aalte sich darin, gefürchtet zu werden, und kümmerte sich keinen Deut darum, wie viele ihn hassten. Tatsächlich betrachtete er ihren Hass als Maß seines Erfolges.
Niryn war nicht adelig geboren worden. Er war das einzige Kind zweier Palastbediensteter. Während seiner frühen Tage am Hof waren bestimmte Leute, die sich als über ihn erhaben betrachteten, bedacht darauf gewesen, ihn seine niedrige Herkunft nicht vergessen zu lassen, doch nachdem er die Gunst des Königs errungen hatte, lernten sie bald, sich nicht mit dem unscheinbaren Zauberer anzulegen. Selbstverständlich ergriff er keine unmittelbaren Maßnahmen gegen sie; stattdessen hatte Erius sein Missfallen bereitwillig zum Ausdruck gebracht. Viele der frühen Gegner Niryns besaßen mittlerweile weder Titel noch Land; etliche ihrer Besitztümer waren seither an Niryn gegangen.
Der Zauberer bedauerte seine niedrige Geburt nicht, im Gegenteil. Seine Anfangsjahre hatten unauslöschliche Spuren an ihm hinterlassen und ihn einige wertvolle Erkenntnisse darüber gelehrt, wie die Welt sich drehte.
Sein Vater war ein schlichter, schweigsamer Mann gewesen, der eine Frau höheren Ranges geehelicht hatte. Er selbst war in eine Familie von Gerbern hineingeboren worden, doch seine Ehe hatte es ihm ermöglicht, das übel riechende Handwerk hinter sich zu lassen und einer von Königin Agnalains Gärtner zu werden. Niryns Mutter war Zimmermädchen im Alten Palast gewesen und hatte häufig in den Gemächern der Königin gearbeitet, bevor Agnalain wahnsinnig wurde.
Seine Eltern lebten in einer winzigen Hütte mit Strohdach am Nordtor. Jeden Tag weckte ihn seine Mutter, als die Sterne noch am Himmel standen, und sie traten zusammen mit seinem Vater den Weg über die lange, steile Straße zum Palatin hinauf an. Sie verließen ihre bescheidene Behausung in der Dunkelheit, und Niryn konnte beobachten, wie der Himmel hell wurde, während sie die steilen Pfade erklommen. Je höher man kam, desto größer und prunkvoller wurden die Häuser, und der Palatin selbst glich einem weitläufigen, magischen Garten. Vornehme Häuser scharten sich entlang der Mauern und umringten die dunkle Masse des Alten Palasts.
Damals hatte es nur diesen einen Palast gegeben, und es war ein lebendiger Ort gewesen, erfüllt von Farben, Höflingen und Wohlgerüchen. Baufällig wurde der Alte Palast erst, nachdem Erius ihn im Anschluss an den Tod seiner Mutter zurückgelassen hatte. Danach konnte der junge Prinz den Ort nicht mehr ertragen, da er fürchtete, der wahnsinnige, rachsüchtige Geist könne ihn des Nachts heimsuchen. Jahre später, als Niryn das Vertrauen des jungen Königs und Zugang zu seinen innersten Gedanken erlangt hatte, erfuhr er, weshalb. Erius hatte seine Mutter getötet; er hatte die wahnsinnige, alte Frau mit einem Kissen erstickt, nachdem er erfahren hatte, dass von ihr eine Anordnung unterzeichnet worden war, ihn und ihre kleine Tochter hinzurichten, weil sie überzeugt davon gewesen war, die beiden verschwören sich gegen sie.
Aber als Niryn ein Kind gewesen war, hatte der Alte Palast einen wundersamen Ort dargestellt, mit feinen Behängen an den Wänden der Gemächer und Flure und kunstfertigen, bunten Steinmustern auf dem Boden. In einigen Gängen gab es sogar lange, schmale, in den Boden eingelassene Becken mit blühenden Wasserpflanzen und umherhuschenden silbernen und roten Fischlein. Einer der Unterverwalter hatte sich für den rothaarigen Jungen erwärmt und ließ ihn die Fische mit Krümeln füttern. Auch die Palastgardisten mochten ihn. Sie waren alle groß und trugen feine rote Wappenröcke mit schneidigen Schwertern an der Hüfte. Insgeheim wünschte Niryn, einst Gardist zu werden, damit er ein solches Schwert tragen und den ganzen Tag lang Wache stehen und die Fische beobachten könnte.
Königin Agnalain sah er oft, eine hagere, blasse Frau mit harten, blauen Augen, die in ihren feinen Kleidern wie ein Mann ging und immer von einer Gruppe gut aussehender Männer umgeben zu sein schien. Manchmal hatte sie auch den jungen Prinzen dabei, einen Knaben, etwas älter als Niryn. Erius lautete sein Name, und er besaß lockiges, schwarzes
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