Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
angeordnet, als ihr lieb war, doch die Lage war unhaltbar.
Obendrein war dies nur ein vorläufiger Aufschub noch härterer Zeiten, besann sie sich. Jener Teil der Winterernte, der die Zerstörung überstanden hatte, würde bald auf den Feldern verfaulen, wenn er nicht eingebracht wurde, und ein Großteil der Frühlingsernte war noch nicht gesät worden. Bis zum Winter brauchten sie alle eine Ernte und ein anständiges Dach über den Köpfen, sonst würden weitere Menschen sterben.
So erschöpfend all das sein mochte, Tamír war froh, den ganzen Tag derart beschäftigt zu sein. Es bot ihr einen Vorwand, die Zauberer zu meiden und die Gedanken davon abzulenken, was die Nächte bereithielten.
Tagsüber ließ Bruder sie zufrieden, doch in der Dunkelheit drang der zornige Geist in ihr Zimmer oder ihre Träume ein und forderte Gerechtigkeit.
Verschlimmernd kam hinzu, dass Ki nach einigen misslichen Nächten im gemeinsamen Bett, in denen sie beide kaum Erholung fanden, dazu übergegangen war, im Ankleidezimmer des Schlafgemachs zu nächtigen. Er hatte nichts gesagt, sondern den Wechsel einfach vollzogen. Ab und an bat er zudem um Erlaubnis, nach dem Abendessen noch alleine ausreiten zu dürfen. Früher hatte er nie das Bedürfnis verspürt, von ihr getrennt zu sein. Sie fragte sich, ob er in der Zeit nach einem Mädchen suchte – einem richtigen Mädchen, ergänzte sie verbittert –, mit dem er sich vergnügen konnte.
Ki gab sich alle Mühe, sie so zu behandeln, wie er es immer getan hatte, doch etwas hatte sich unwiderruflich zwischen ihnen verändert. Es hatte keinen Sinn, so zu tun, als wäre dem nicht so. Wenn er nachts in jenes kleine Nebenzimmer verschwand, ließ er die Tür zwischen ihnen zwar offen, aber er hätte sich ebenso gut in Atyion befinden können.
An diesem Abend verhielt es sich nicht anders. Ki wirkte rundum vergnügt, als er sich ihr und den anderen Gefährten beim Bakshi-Spielen anschloss, doch als sich die Runde nach einigen Stunden auflöste, entschuldigte er sich und ging. Luchs folgte ihm, was er des Öfteren tat. Tamír sehnte sich danach, ihn zu fragen, wohin sich Ki begab, doch ihr Stolz ließ sie schweigen.
»Es ist ja nicht so, als ob ich seine Gemahlin wäre«, brummte sie, als sie in ihr Zimmer zurückstapfte.
»Was hast du gesagt?«, fragte Una, die ihr dichter folgte, als sie gedacht hatte.
»Nichts«, stieß Tamír verlegen hervor.
Baldus hatte indes ihr Zimmer für die Nacht vorbereitet. Erwartungsvoll schaute er hinter sie, als Tamír eintrat. Er hält nach Ki Ausschau, dachte sie.
Una half ihr mit dem Stirnreif und den Stiefeln, während Baldus ihren Schwertgurt an das Gestell mit ihrer Rüstung hängte.
»Danke. Den Rest schaffe ich alleine.«
Doch Una verharrte und sah aus, als hätte sie etwas zu sagen.
Tamír zog eine Augenbraue hoch. »Nun? Was ist?«
Una zögerte und warf einen Blick zu dem Jungen. Sie kam näher und senkte die Stimme. »Also, weißt du, Ki … Er ist nicht unterwegs, um eine Geliebte zu treffen.«
Rasch wandte sich Tamír ab, um ihre flammend roten Wangen zu verbergen. »Woher weißt du das?«
»Ich habe unlängst mit angehört, wie Tharin versucht hat, es aus ihm herauszukitzeln. Ki war ziemlich ungehalten darüber, dass Tharin so etwas vermutet hatte.«
»Ist es so offensichtlich? Reden mittlerweile all meine Gefährten über mich?«, fragte Tamír elend.
»Nein. Ich dachte nur, es könnte dir das Herz etwas leichter machen, die Wahrheit zu kennen.«
Stöhnend sank Tamír aufs Bett und stützte das Gesicht in die Hände. »Ich bin nicht gut darin, ein Mädchen zu sein.«
»Natürlich bist du das. Du bist bloß noch nicht daran gewöhnt. Sobald du heiratest und anfängst, Kinder zu bekommen …«
»Kinder? Bei Bilairys Hintern!« Tamír versuchte, sich vorzustellen, wie sie mit einem dicken Bauch herumlief, und schauderte.
Una lachte. »Eine Königin kämpft nicht nur in Kriegen und hält Reden. Du wirst auch Thronfolger brauchen.« Sie setzte ab. »Du weißt doch, wie …«
»Gute Nacht, Una!«, schnitt Tamír entschieden das Wort ab, wiederum mit hochroten Wangen.
Una schmunzelte leise. »Gute Nacht.«
In jenem Augenblick hätte Tamír sogar einen Besuch von Bruder begrüßt. Jedenfalls wäre das besser gewesen, als alleine mit solchen Gedanken in ihrem Zimmer zu sitzen. Sie schickte Baldus auf seine Pritsche, zog ihr Nachtkleid an und ließ sich mit einem Kelch Wein am Feuer nieder.
Natürlich musste eine Königin Kinder
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