Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
Augen; das eines hellhaarigen Kriegers aus dem Süden mit Liebe und Traurigkeit in den Zügen; das des jungen Orëskiri, den er in der ersten Vision gesehen hatte und den Schmerz erfüllte; und das einer älteren Orëskiri mit einer Miene wie aus Feuerstein. Lhel sagte, er würde das Mädchen durch diese Leute erkennen.
Der Weg wurde unwirtlicher, je weiter er nach Osten und Norden kam, und im selben Maß wurden die Menschen schroffer. Sie waren immer noch seinesgleichen, doch sie lebten zu nah bei den Südländern, um sich einem Fremden gegenüber, der in diese Richtung reiste, als großzügig oder einladend zu erweisen. So entboten sie ihm kaum Höflichkeit, gerade genug, um die Große Mutter nicht zu beleidigen, dann schickten sie ihn schweigend und mit argwöhnischen Blicken wieder seines Weges.
Weiter und weiter wanderte er, und die Berge schrumpften zu Hügeln. Die Dörfer der Retha'noi wurden kleiner, ärmlicher und weiter voneinander entfernt, bis er schließlich keine mehr vorfand, nur noch vereinzelte Lager von Jägern oder einsame Hexer.
Nach weiteren zwei Tagen wichen die Hügel Waldland, und der Frühling kam ihm entgegen, obwohl er wusste, dass die Menschen zu Hause morgens in den Wassereimern noch Eis durchbrechen mussten. Hier wuchs das Gras grüner und saftiger als auf jeder Weide, die er kannte. Aus den alten Geschichten wusste er, dass er letztlich die abgelegenen Gebiete der Südländer erreicht hatte.
Die Ersten, denen er begegnete, war eine Familie von fahrenden Händlern, die mit den Retha'noi Umgang pflegte und ihn voll Achtung in seiner Sprache begrüßte. Der Name des Familienoberhaupts war Irman. Er lud Mahti wie einen Angehörigen in ihr Zelt ein und setzte ihn am Feuer an seine Seite.
Nachdem sie sich die Hände gewaschen und zusammen mit seiner Gemahlin, seinen Söhnen und all deren Gemahlinnen und Kindern gegessen hatten, erkundigte sich Irman nach Menschen des Hügelvolks, die Mahti vielleicht kannte, ehe er schließlich nach dem Zweck seiner Reise fragte.
»Ich suche ein Mädchen, das einst ein Junge war«, antwortete Mahti.
Darüber kicherte Irman. »Davon kann es nicht viele geben.
Wo weilt sie?«
»Im Süden.«
»In Skala ist der Süden ein großer Ort. Von hier an ist so gut wie alles Süden. Wendet man sich nach Norden, erreicht man schon bald das Innere Meer.«
»Deshalb muss ich nach Süden«, gab Mahti liebenswürdig zurück.
Irman schüttelte den Kopf. »Nach Süden. Na schön. Deinesgleichen haben Wege und Mittel, dorthin zu gelangen, wo sie sein müssen. Und wie ich sehe, trägst du einen prächtigen Oo’lu bei dir, demnach musst du ein Hexer sein.«
Der Mann sagte es voll Achtung, doch Mahti nahm einen furchtsamen Unterton wahr. »Ich habe gehört, dein Volk misstraut meiner Art von Magie.«
»Wie Gift und Totenbeschwörerei. Ich glaube nicht, dass du weit kommen wirst, wenn die Menschen wissen, was du bist. Ich habe schon Gutes gesehen, was dein Volk zu bewirken vermag, aber die meisten Skalaner würden dich verbrennen, ohne nachzufragen.«
Darüber dachte Mahti nach. Von derartigen Gefahren hatte Lhel nichts erwähnt.
»Sprichst du Skalanisch?«, erkundigte sich Irman.
»Ja, ich habe es von einem Jungen gelernt«, antwortete Mahti in dieser Sprache. »Unser Volk lernt es von Händlern wie euch, daher wissen wir, wie wir uns schützen. Man hat mir gesagt, ich solle behaupten, aus Zengat zu stammen, um sie zu täuschen.«
Zumindest glaubte Mahti, das gesagt zu haben. Irman und die anderen starrten ihn einen Augenblick an, dann brachen sie in Gelächter aus.
»Habe ich nicht die richtigen Worte gewählt?«, versuchte er es erneut.
»Ein paar davon, ab und an«, erwiderte Irman und wischte sich die Augen. »Wenn du so redest, werden die Menschen dich eher für zurückgeblieben als für einen Zengati halten. Abgesehen davon werden auch die Zengati in Skala nicht gerade geliebt.«
Also würde es schwieriger werden, als er gedacht hatte; er musste sich den Weg an einen Ort bahnen, an dem ihn niemand mochte oder verstand. »Wenn ihr mir beibringt, besser zu sprechen, heile ich eure Beschwerden und fertige Glücksbringer für euch«, sagte er in seiner eigenen Sprache. Er deutete auf eine von Irmans Frauen mit einem großen Bauch. »Ich spiele Segen für das Kind.«
Die junge Frau starrte ihn finster an und murmelte etwas auf Skalanisch.
Irman raunte ihr etwas zu, dann beachte er Mahti mit einem entschuldigenden Blick. »Kümmere dich nicht um Lia. Sie
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