Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
nicht zulassen, dass du dir zu sehr den Kopf zerbrichst.«
»Ich verstehe. Und wie sollst du das anstellen?«
Ki grinste. »Indem ich dich so betrunken mache, dass du zur Abwechslung mal gut schläfst. Ich höre die ganze Nacht, wie du dich herumwirfst und vor dich hinmurmelst.«
Tamír zog eine Augenbraue hoch. »Damit sind wir dann schon zwei.«
Ki zuckte mit den Schultern. »Manchmal sprichst du im Schlaf mit Bruder. Er ist noch da, oder?«
»Ja.«
»Aber warum? Was hält ihn hier?«
Tamír schüttelte den Kopf, doch Ki spürte, dass es einiges gab, was sie ihm nicht erzählte. »Er ist noch nicht mit mir fertig, vermute ich«, erwiderte sie schließlich. »Keine Sorge, mit ihm komme ich schon zurecht.«
Ki wusste, dass es mehr gab, was sie verschwieg, doch er ließ es dabei bewenden. »Tut mir leid, dass du all das über Korin hören musstest. Das muss wehgetan haben.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Versetzt dich mal in seine Lage. Was würdest du denken? Wenn ich doch nur mit ihm reden könnte!«
»Ich denke, das wird so bald nicht geschehen.«
Als Tamír zu Bett ging, schwirrte ihr Korin im Kopf herum, doch es war Bruder, der sie wieder einmal in ihren Träumen erwartete, abgehärmt und blutüberströmt, die schwarzen Augen voll Hass. Er hatte etwas in den Händen – etwas Schreckliches, von dem er wollte, dass sie es sah.
»Sie haben uns das angetan, Schwester!«, zischte er. Seine Hände waren blutig, und zunächst verstand sie nicht, weshalb. Alles, was er hielt, war eine der Stoffpuppen ihrer Mutter – ein Junge ohne Mund wie all die anderen, die sie während Tamírs Kindheit angefertigt hatte.
Als er sie ihr zuwarf, bemerkte sie, dass auch an der Puppe Blut klebte. Es troff aus einer offenen Wunde in Bruders Brust. Sie war roh, genau wie in der Vision, die sie an jenem Tag in Lhels Baum von ihm gehabt hatte, während ihrer zweiten Bindung.
Ein jäher, sengender Schmerz in ihrer Brust presste ihr den Atem aus den Lungen.
»Sie haben das getan!«, knurrte Bruder. »Du! Du hast sie am Leben gelassen! Mein Blut klebt jetzt an deinen Händen!«
Als Tamír hinabblickte, stellte sie fest, dass er Recht hatte. Ihre Hände waren klebrig vor Blut, und sie hielt Lhels Silbermesser in einer Hand, die spitze Silbernadel in der anderen.
Keuchend und in kaltem Schweiß gebadet erwachte sie. Die Nachtlampe war erloschen. Im Zimmer herrschte völlige Finsternis, doch sie vernahm ein Geräusch und warf sich gegen die Kissen zurück, tastete wild nach ihrem Schwertgurt am Bettpfosten. Ihre Hände fühlten sich immer noch nass und klebrig an. Von Blut?
»Hoheit!«, rief Baldus irgendwo in der Dunkelheit und hörte sich zu Tode entsetzt an.
Und da war Bruder, eine leuchtende, knurrende Gegenwart am Ende ihres Bettes. Er war weder nackt noch blutig, aber er hielt immer noch die mundlose Puppe in einer Hand, während er mit der anderen voll stummer Anklage auf sie deutete.
Ihre Finger strichen über den Riemen ihrer Schwertscheide, und sie schrie auf, als sich starke, warme Hände um die ihren schlossen. »Nein! Lass mich in Ruhe!«
»Ich bin’s, Tob!«
Sie warf sich in Kis Griff hin und her, doch er hielt sie fest, was sich irgendwie tröstlich anfühlte, so tröstlich, wie ihren alten Namen aus seinem Mund zu hören. Ohne aufzuschauen, wusste sie, dass Bruder verschwunden war.
Hinter ihnen flog die Tür auf, und ein Wächter mit gezogenem Schwert zeichnete sich als Umriss im Lampenschein aus dem Gang ab. Baldus stieß einen erschrockenen Schrei aus, als die Tür ihn traf.
»Hoheit, was ist denn los?«, verlangte Hauptmännin Grannia zu erfahren.
Ki ließ Tamírs Hand sinken und trat vom Bett zurück. Er trug nur ein langes Hemd. »Bloß ein Albtraum. Ihre Hoheit ist in Sicherheit.«
Tamír konnte sich nur vorstellen, wie dies aussehen musste. »Ein Albtraum, wie er gesagt hat«, bestätigte sie gebieterisch. »Geht zurück auf Euren Posten und schließt die Tür.«
Grannia bedachte die beiden mit einem letzten verwirrten Blick, salutierte und gehorchte.
Tamír erwartete, dass Ki zu seiner Pritsche zurückkehren würde, doch stattdessen setzte er sich und zog sie dicht an sich. Zu erschüttert, um Einwände zu erheben, sackte sie gegen ihn und war froh über seinen um sie geschlungenen Arm. Ebenso froh war sie über die Dunkelheit, da er so nicht sehen konnte, wie sie errötete.
»Ich denke, wir haben gerade ein Gerücht in die Welt gesetzt«, murmelte sie.
Ki kicherte. »Als ob wir das
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