Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
Leben lang belogen haben?«, murmelte Tamír verbittert.
»Ich weiß, aber ich glaube ihnen, wenn sie sagen, sie wollten dich auf jede ihnen mögliche Weise schützen. Frag ihn, ja?«
»Muss ich wohl. Ich wollte ohnehin schon mit ihm über Bruder reden, habe aber bei allem, was zu tun ist, noch nicht die rechte Gelegenheit dafür vorgefunden. Vielleicht … Nun, vielleicht will ich gar nicht mehr darüber wissen.«
Ki schlang wieder den Arm um sie und drückte sie. »Du magst Arkoniel immer noch, oder?«
Tamír nickte. In den Monaten seit der Verwandlung hatte sie allmählich begonnen, sich daran zu erinnern, wie es früher gewesen war. Die Täuschung der Zauberer schmerzte nach wie vor, doch tiefer als das reichte die Erinnerung daran, was für ein geduldiger, freundlicher Lehrmeister Arkoniel gewesen war.
Dabei hatten sie ihn anfangs alles andere als herzlich willkommen geheißen. Er hatte sich bisweilen unbeholfen angestellt und nicht das Geringste über Kinder gewusst, dennoch hatte er sich nach Kräften bemüht, ihre Einsamkeit zu lindern. Und es war Arkoniel gewesen, der ihren Vater und Iya davon überzeugt hatte, ein anderes Kind, einen Gefährten für sie in die Feste zu holen. Ki.
Während er so neben ihr saß und seine schlichte Gegenwart die Dunkelheit und Angst vertrieb, entschied sie, dass sie Arkoniel allein dafür eine Menge verzeihen konnte. Ob sich diese Nachsicht auch auf Iya erstrecken würde, blieb abzuwarten.
»Vielleicht musst du die beiden gar nicht fragen«, flüsterte Ki unverhofft. »Vielleicht kannst du dich stattdessen an den Priester des Orakels wenden.«
»Imonus?«
»Warum nicht? Er spricht für das Orakel, oder? Du könntest ihn zumindest fragen.«
»Ich denke schon.« Tamír musste sich erst noch an die Vorstellung gewöhnen, dass der Lichtträger höchstpersönlich ihr eigener Schirmherr war. »Ich rede gleich morgen Früh mit ihm.«
Sie sank auf die Kissen zurück – widerwillig, da sie wusste, dass Ki sie darob verlassen und zu seiner Pritsche zurückkehren würde.
Er tat es nicht. Stattdessen lehnte er sich gegen die neben ihr liegenden Kissen und hielt weiter ihre Hand fest. Nach einer Weile spürte sie, wie er das Gewicht verlagerte, dann drückte er ihr die Lippen rasch und unbeholfen auf das Haar.
»Keine bösen Träume mehr heute Nacht«, flüsterte er.
Tamír wagte nichts zu erwidern, drückte nur seine Hand und legte die Wange darauf.
Ki hatte nicht beabsichtigt, sie zu küssen. Es war eine plötzliche Eingebung gewesen, und gleich danach errötete er darob in der Finsternis. Dass sie darüber schwieg, verwirrte ihn zusätzlich, doch sie hatte ihn auch nicht weggestoßen oder die Hand zurückgezogen.
Was mache ich nur?, dachte er. Was will sie von mir?
Was will ich?
Ihr Atem hauchte warm und gleichmäßig gegen sein Handgelenk, ihre Wange fühlte sich glatt an seinen Fingern an. Er wusste, dass sie keine Duftwässer verwendete, dennoch hätte er schwören können, dass eine neue Süße aus ihrem Haar aufstieg, etwas entschieden Unknabenhaftes. Einen Lidschlag lang weilten nur er und ein Mädchen auf dem Bett.
Nicht irgendein Mädchen, besann er sich, was seine Verwirrung jedoch nur verschlimmerte. Schlief sie? Oder wartete sie darauf, dass er sich zu ihr unter die Decke kuschelte?
Als Freund oder als Geliebter?
Geliebter. Bei dem Gedanken wurde ihm zugleich heiß und kalt, und sein Herzschlag beschleunigte sich.
»Ki?« Ein verschlafenes Flüstern. »Leg dich hin, ja? Sonst holst du dir noch einen steifen Nacken.«
»Ich … äh … na gut.« Ki rutschte ein Stück nach unten.
Nun hauchte ihr Atem gegen seine Wange, und eine ihrer Locken war so gefallen, dass sie kitzelnd über seine Hand strich. Eben wollte er sie mit der anderen beiseiteschieben, doch er hielt kurz inne, als ihm auffiel, wie seidig sich das Haar zwischen seinen Fingern anfühlte. Dann dachte er daran, was er bei der Berührung ihrer Finger in seinem Nacken empfunden hatte und spürte einen Geist desselben Kribbelns.
Die Berührung eines Mädchens, trotz schwieliger Finger.
Er drehte ein wenig den Kopf und fühlte ihren Atem am Mundwinkel. Wie würde es wohl sein, sie auf den Mund zu küssen?
Mittlerweile hämmerte sein Herz so heftig, dass es schmerzte. Einer Panik nah, wandte er sich ab. Zu all der Verwirrung mischte sich leichte, aber unbestreitbare Erregung, etwas, das er in ihrer Gegenwart noch nie erfahren hatte. Nicht auf diese Weise.
»Tamír?«, flüsterte er, ohne
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