Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
und ich fürchte, die witzigen Bemerkungen seiner Exzellenz stoßen bei ihr auf taube Ohren.«
»Ihr habt vermutlich recht, meine Liebe«, pflichtete Sarabian bei. »Aber ich möchte sie trotzdem zu gern loswerden. Seit ihrer Geburt fällt sie mir auf die Nerven. – Was macht Ihr eigentlich hier in Matherion, Norkan?«
Eine der Brauen Botschafter Norkans schoß in die Höhe. »Hier hat sich wirklich allerhand verändert, nicht wahr, Oscagne? Sollen wir ihm offen sagen, was tatsächlich vor sich geht?«
»Kaiser Sarabian hat beschlossen, die Führung der Regierungsgeschäfte selbst zu übernehmen, mein Freund.« Oscagne seufzte wehmütig.
»Ist das nicht gegen das Gesetz?«
»Ich fürchte nein, alter Junge.«
»Würdest du meinen Rücktritt annehmen?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Wollt Ihr denn nicht mehr für mich arbeiten, Norkan?« fragte Sarabian.
»Ich habe nichts gegen Euch persönlich, Majestät, aber wenn Ihr Euch tatsächlich in Regierungsgeschäfte einmischt, könnte das zum Zusammenbruch des gesamten Imperiums führen.«
»Großartig, Norkan! Ich mag es, wie Ihr drauflosredet, ohne vorher zu überlegen. Seht Ihr, Ehlana? Das ist es, wovon ich Euch erzählt habe. Die Beamten meiner Regierung erwarten allesamt von mir, daß ich majestätisch lächle, alle ihre Vorschläge billige, ohne sie in Frage zu stellen, und es ganz ihnen überlasse, die Regierungsgeschäfte zu führen.«
»Wie langweilig!«
»Ihr sagt es. Aber das werde ich ändern. Jetzt, da ich einem echten Monarchen bei der Arbeit zuschauen darf, haben sich mir völlig neue Horizonte erschlossen. – Ihr habt meine Frage immer noch nicht beantwortet, Norkan! Was führt Euch zurück nach Matherion?«
»Die Ataner werden aufsässig, Majestät.«
»Ist ihre Loyalität in Frage gestellt? Wegen der Unruhen, die kürzlich stattgefunden haben?«
»Nein, Majestät, ganz im Gegenteil. Der Aufstand hat sie schrecklich wütend gemacht. Androl möchte mit einer riesigen Streitmacht losmarschieren und Matherion besetzen, um Eure Sicherheit zu gewährleisten. Das halte ich nicht für ratsam – vorsichtig ausgedrückt. Die Ataner achten nicht allzusehr auf Rang oder Stellung, wenn sie beschließen, jemanden zu töten.«
»Das ist uns nicht entgangen«, erwiderte Sarabian trocken. »Wegen der Maßnahmen, die Engessa ergriffen hat, um die Rebellion niederzuschlagen, sind von den Familien der Edelleute eine Unmenge von Protestschreiben eingegangen.«
»Ich habe mit Betuana gesprochen, Majestät«, fuhr Norkan fort. »Sie hat versprochen, ihren Gemahl kürzer an der Leine zu halten, bis ich mit Euren Anweisungen zurückkehre. Wenn ich Euch raten darf – irgend etwas Knappes, Bündiges wie ›Sitz!‹ oder ›Still!‹ wäre wohl am passendsten, wenn man Androls geistige Fähigkeiten in Betracht zieht.«
»Wie ist es Euch je gelungen, Diplomat zu werden, Norkan?«
»Ich habe mir eine Menge Lügen ausgedacht.«
»Ein Vorschlag, Majestät«, warf Tynian ein.
»Heraus damit, Ritter Tynian.«
»Wir wollen König Androl doch nicht wirklich aus der Ruhe bringen, nicht wahr? Eine Andeutung, daß er in Atana bleiben soll, um möglicherweise mit einer weit größeren Bedrohung fertig zu werden, wäre vermutlich angebrachter, als ihn ohne Abendessen zu Bett zu schicken.«
»Welch originelle Formulierung, Ritter Tynian. Also gut, Norkan, schickt Engessa.«
Norkan blinzelte.
»Was ist, Mann?« schnaubte Sarabian.
»Daran mußt du dich gewöhnen, Norkan«, erklärte ihm Oscagne. »Der Kaiser bevorzugt manchmal verbale Abkürzungen.«
»Oh, ich verstehe.« Norkan dachte darüber nach. »Dürfte ich fragen, weshalb Engessa besser geeignet ist, Eure Anweisungen zu übermitteln als ich, Majestät?«
»Weil Engessa viel schneller laufen kann als Ihr, und weil er Unsere Befehle in einer Sprache übermitteln kann, die Androl vermutlich besser versteht. Außerdem wird er bei Engessas Erscheinen eher an einen militärischen Grund glauben, und das dürfte Androl am sichersten besänftigen. Ihr könnt Betuana den wahren Grund erklären, sobald Ihr wieder zurück seid.«
»Weißt du was, Oscagne?« sagte Norkan. »Er könnte sich vielleicht doch als ziemlich brauchbar erweisen – wenn wir ihn davor bewahren können, anfangs zu viele Fehler zu machen.«
Oscagne wand sich.
Sperber tippte Vanion auf die Schulter und gab ihm einen Wink mit dem Kopf. Beide schlenderten scheinbar gleichmütig zum anderen Ende des Thronsaals. »Ich habe ein Problem, Vanion«,
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