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Tamuli 2 - Das leuchtende Volk

Tamuli 2 - Das leuchtende Volk

Titel: Tamuli 2 - Das leuchtende Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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immer sie anhielten, half er dem blassen Mädchen vom Pferd. Als sie absaßen und die Tiere führten, ging er neben ihr her.
    »Seid Ihr nicht übertrieben fürsorglich, Ritter Kalten?« tadelte sie ihn sanft.
    »Oh, das tue ich nicht für Euch, meine Dame«, log er. »Der Weg ist hier ziemlich steil und wir wollen die Pferde nicht überanstrengen.«
    »Es steckt wirklich mehr in Kalten, als ich ahnte«, flüsterte Vanion Sperber zu.
    »Man kann einen Menschen sein Leben lang beobachten und doch nicht alles über ihn erfahren.«
    »Welch erstaunliche Erkenntnis«, sagte Vanion trocken.
    »Seid nett«, brummte Sperber.
    Sperber war beunruhigt. Xanetia konnte kaum solche Fähigkeiten haben wie Aphrael; aber es bestand kein Zweifel, daß auch sie, genau wie die Kindgöttin, Zeit und Entfernung beeinflußte. Hätte Xanetia die Täuschung des bedeckten Himmels aufrechterhalten, wäre es Sperber vielleicht gar nicht aufgefallen, doch die Stellung der Sonne verriet ihm, daß sein Wahrnehmungsvermögen beeinträchtigt wurde: Die Sonne schien über den Himmel gesprungen zu sein. Die Fähigkeit, Ort und Zeit zu beeinflussen, war also nicht nur den Göttern vorbehalten, wie Sperber bisher angenommen hatte. Es war eine beunruhigende Erkenntnis. Was Itagne vom Hörensagen über die Delphae berichtet hatte, schien sich nun in mancher Beziehung zu bewahrheiten. Es gab tatsächlich so etwas wie »delphaeische Magie«, und soweit Sperber sehen konnte, umfaßte sie Bereiche, in die Styriker nicht eindringen konnten – oder es nicht wagten.
    Er hielt die Augen offen, doch er vermied es, die Gefährten auf seine Beobachtungen aufmerksam zu machen.
    Und dann, an einem schönen Herbstabend, als die Vögel schläfrig auf den Bäumen zwitscherten und gurrten und der Sonnenuntergang die Berge rot färbte, ritten sie einen schmalen Pfad hinauf, der sich um mächtige Felsblöcke herum einem V-förmigen Gebirgseinschnitt hoch über ihnen entgegenwand. Xanetia hatte darauf bestanden, nicht anzuhalten, um das Nachtlager aufzuschlagen, und war mit Kalten vorausgeritten. Ihr sonst so unbewegtes Gesicht schien vor Erwartung zu strahlen.
    Als sie und ihr Beschützer die Anhöhe erreicht hatten, hielten sie an und hoben sich auf ihren Pferden in scharfen Umrissen vom letzten Glühen des Sonnenuntergangs ab.
    »Großer Gott!« hauchte Kalten. »Sperber!« rief er. »Komm herauf, und sieh dir das an!«
    Sperber und Vanion ritten zu ihnen hinauf.
    Unter ihnen lag ein Tal, ein Gebirgskessel mit steilen, bewaldeten Hängen. Häuser schmiegten sich dort unten aneinander, Kerzenschein fiel aus den Fenstern, und blaßblauer Rauch stieg aus unzähligen Schornsteinen gerade in den Himmel. Daß es hier, inmitten dieser unzugänglichen Berge, eine richtige Stadt gab, war schon überraschend genug, doch Sperber und die anderen beachteten sie kaum. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt einem kleinen See, der in der Mitte des Tals lag.
    Natürlich war diese Tatsache als solche nicht ungewöhnlich. In allen Gebirgen der Welt gibt es Seen. Die Schneeschmelze sammelt sich in Tälern und Kesseln, wenn das Gelände ringsum höher ist und es keine Kanäle und Bäche gibt, die das Wasser in Flüsse und Ströme führen. Nein, nicht die Tatsache, daß es hier einen See gab, war überraschend. Was die Gefährten in Staunen versetzte und mit abergläubischer Scheu erfüllte, war die Beobachtung, daß dieser See im schwindenden Zwielicht leuchtete. Es war nicht das fahle, grünliche Phosphoreszieren, das manchmal von verrottenden Pflanzenteilen ausgeht, sondern ein klares, unveränderliches Weiß. Wie ein verlorener Mond glühte der See und erwiderte das Licht seines soeben aufgehenden Bruders am östlichen Horizont.
    »Das ist Delphaeus«, sagte Xanetia schlicht. Und als die Gefährten auf sie blickten, sahen sie, daß auch Xanetia in einem klaren weißen Licht leuchtete, das aus ihrem Innern zu kommen und durch ihre Kleidung, ja, ihre Haut zu strahlen schien, so als käme dieses bleiche, unveränderliche Licht geradewegs aus ihrer Seele.

14
    Aus irgendeinem Grund waren Sperbers Sinne außergewöhnlich geschärft, obwohl er mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein schien. Er ordnete ein, was er sah und hörte, empfand aber nichts dabei. Dieser eigenartige Zustand war ihm nicht fremd, doch die vollkommene Gelassenheit hatte ihn diesmal unter sehr ungewöhnlichen Begleitumständen befallen. Ihm standen keine Bewaffneten gegenüber, und doch bereitete er sich im Unterbewußtsein auf

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