Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
hab' mich so bemüht, das zu vergessen!«
In einem der gewölbten Korridore nahe der Stadtmitte saßen sie ab und überließen ihre Pferde mehreren jungen Delphae. Sperber fand, daß diese Burschen wie Ziegenhirten aussahen, die man als Stallknechte zwangsverpflichtet hatte. Dann folgten die Gefährten der glimmenden jungen Dame zu einer Tür aus dunkelgebeiztem Holz, fleckig und speckig durch jahrhundertelange Berührung. Sperber, der immer noch diese beinahe übernatürliche Gelassenheit verspürte, blickte aufmerksam auf Xanetia. Sie war nicht viel größer als Sephrenia; und obwohl sie ohne Zweifel eine Frau war, und eine sehr schöne obendrein, fühlte Sperber sich körperlich nicht von ihr angezogen. Xanetias Geschlecht war für ihn vollkommen bedeutungslos.
Sie öffnete die Tür und führte die Gefährten in einen Gang, dessen Wände zu beiden Seiten von tief darin eingelassenen Türen durchbrochen wurden, die in großen Abständen angebracht waren. Die einzige Lichtquelle waren Glaskugeln, die an langen Ketten von der gewölbten Decke hingen. Sie waren mit einer glühenden Flüssigkeit gefüllt – Wasser aus dem See, vermutete Sperber.
Am hinteren Ende des Korridors blieb Xanetia vor einer Tür stehen. Für einen Moment wirkte ihr Blick abwesend. »Cedon bittet uns, einzutreten«, sagte sie nach kurzer Pause, öffnete die Tür und führte die Gefährten in einen Saal. »Das Haus von Cedon, Anari der Delphae«, erklärte Xanetia ihnen mit ihrer eigentümlich widerhallenden Stimme, die für ihre Rasse charakteristisch zu sein schien.
Drei abgetretene Stufen führten zum mittleren Gemach hinunter, einem kunstvoll gestalteten Raum mit Kreuzgratgewölbedecke, die von niedrigen Bögen getragen wurde. Die leicht nach innen gewölbten Wände waren ebenso schneeweiß wie die mit Lammwolle gepolsterten, niedrigen schweren Sitzmöbel. Ein kleines Feuer brannte in einem gewölbten Kamin an der hinteren Seite des Gemachs. Auch hier hingen leuchtende Glaskugeln von der Decke.
Sperber kam sich wie ein barbarischer Eindringling vor. Cedons Zuhause spiegelte ein sanftes, stilles und friedliches Wesen wider, und der große Pandioner war sich seines Kettenhemds und des schweren Schwertes, das von seinem Gürtel hing, nur allzu bewußt. Er kam sich schrecklich ungeschlacht und fehl am Platze vor. Seine Gefährten – in Stahl und Leder und grober grauer Wolle – standen wie klotzige Monolithen einer uralten, primitiven Kultur um ihn herum.
Ein sehr alter Mann betrat das Gemach von der gegenüber liegenden Seite. Er ging vornübergebeugt, wirkte gebrechlich und stützte sich bei seinen schlurfenden Schritten auf einen langen Stock. Sein stark gelichtetes Haar schimmerte weiß wie Schnee, was in seinem Fall ein Zeichen hohen Alters und kein Merkmal seiner Rasse war. Über seinem Gewand aus ungebleichter Wolle hatte er einen Schal um die schmalen Schultern geschlungen.
Xanetia eilte sofort zu ihm und berührte sanft sein runzliges Gesicht. Sorge um ihn sprach aus ihren Augen, aber sie sagte nichts.
»Seid willkommen, meine Herren Ritter«, begrüßte der Greis die Gefährten. Er sprach Elenisch mit nur schwachem Akzent und seine Stimme klang dünn und rauh, als hätte er selten Gelegenheit, sie zu benutzen. »Seid auch Ihr willkommen, teuere Schwester«, wandte er sich dann in nahezu perfektem, wenngleich archaischem Styrisch an Sephrenia.
»Ich bin nicht Eure Schwester, alter Mann«, entgegnete sie kalt.
»Wir alle sind Brüder und Schwestern, weil wir alle Menschen sind, Sephrenia von Ylara, Hohepriesterin Aphraels.«
»Das mag früher so gewesen sein, Delphae« – Sephrenias Stimme klang nun noch eisiger –, »aber Ihr und Eure verfluchte Rasse seid nicht mehr menschlich.«
Er seufzte. »Mag sein. Es ist schwer zu sagen, was wir sind oder sein werden. Begrabt Eure Feindseligkeit, Sephrenia von Ylara. Ihr habt hier nichts zu befürchten, und ausnahmsweise sind unsere Absichten ein und dieselben. Ihr wollt uns vom Rest der Menschheit getrennt sehen, und das ist nun auch unser Wunsch. Können wir nicht zusammenarbeiten, um dieses Ziel zu erreichen?«
Sie wandte ihm ohne ein weiteres Wort den Rücken zu.
Itagne, in jeder Lebenslage Diplomat, bemühte sich, die Situation zu retten. »Ihr seid Cedon, nehme ich an?« sagte er höflich.
Der Greis nickte.
»Ich muß gestehen, ich finde Delphaeus erstaunlich, Erhabener. Wir Tamuler wissen so gut wie nichts über Euer Volk, und doch spielen die Delphae eine große Rolle
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