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Tamuli 2 - Das leuchtende Volk

Tamuli 2 - Das leuchtende Volk

Titel: Tamuli 2 - Das leuchtende Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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wir unsere Verteidigungsanlage noch vor Sonnenuntergang fertig haben.«
    Die Wolkendecke, die den Himmel während der ganzen letzten Woche zu einer bedrückenden bleiernen Kuppel gemacht hatte, war am Morgen verschwunden, und die Herbstsonne, die auf das Laub des Espenwaldes auf der gegenüberliegenden Seite der Klamm fiel, erfüllte den Tag mit strahlend goldenem Licht. Alles wirkte übernatürlich klar. Die Felsbrocken unten im Bachbett waren kreideweiß, und der in der Sonne schimmernde Wildbach von tiefem Grün. Vögel zwitscherten und trillerten in der Klamm, und Eichhörnchen keckerten laut.
    Die Ritter setzten ihre Arbeit an der Befestigung fort. Sie vollendeten den breiten, brusthohen Wall aus lose aufgestapelten Steinen um den Rand der halbrunden Felsplatte, die sich vorm Höhleneingang befand. Dann trieben sie die oben zugespitzten Pflöcke in den Steilhang, der zum Bach führte.
    Ihre Pferde ließen sie bei Tag auf der angrenzenden Wiese weiden und brachten sie bei Sonnenuntergang in ihre behelfsmäßige Festung. Sie badeten, wuschen ihre Kleidungsstücke im Bach und jagten Damwild im Wald. Nachts hielten sie abwechselnd Wache, doch die Delphae ließen sich nicht sehen.
    Sie blieben vier Nächte und wurden von Stunde zu Stunde ungeduldiger. »Wenn die Delphae schon ihre dringlichen Probleme so langsam angehen, wie reagieren sie dann erst, wenn sie es nicht so eilig haben?« sagte Talen am Morgen des vierten Tages zu Itagne. »Sie haben offenbar nicht mal einen Kundschafter, der uns beobachtet.«
    »Sie sind da draußen, Talen«, versicherte Itagne ihm.
    »Warum haben wir sie dann nicht bemerkt? Sie dürften des Nachts doch kaum zu übersehen sein?«
    »Das ist nicht gesagt«, widersprach Kalten. »Ich glaube nicht, daß sie ständig leuchten. Als sie uns das erste Mal aufgesucht haben, sahen wir sie im Nebel. Aber beim zweitenmal waren sie keine zwanzig Meter entfernt, ehe sie aufgeleuchtet haben. Offenbar können sie dieses Leuchten beeinflussen – je nach Lage der Dinge.«
    »Sie sind da draußen!« wiederholte Itagne. »Und je länger sie warten, desto besser.«
    »Das verstehe ich nicht ganz«, gestand Talen.
    »Inzwischen ist ihnen klar, daß wir nicht die Absicht haben, schnell von hier weiterzuziehen. Also werden die Delphae untereinander aushandeln, was sie uns anbieten sollen. Einige werden bessere Vorschläge machen als andere. Je länger wir hierblieben, desto uneiniger werden sie, und das kann nur von Vorteil für uns sein!«
    »Seid Ihr plötzlich zum Hellseher geworden, Itagne?« fragte Sephrenia.
    »Nein, Erhabene, das sagt mir meine Erfahrung. Diese langwierige Vorgehensweise ist bei Verhandlungen gang und gäbe. Ich bewege mich jetzt auf vertrautem Boden. Wir haben die richtige Strategie gewählt.«
    »Was können wir sonst noch tun?« fragte Kalten.
    »Nichts, Herr Ritter. Jetzt sind die Delphae am Zug.«
    Sie kam am helllichten Tag vom Bach her und stieg mühelos den steilen Hang hinauf. Sie trug einen grauen Kapuzenumhang und leichte Sandalen. Ihre Züge waren tamulisch, besaßen jedoch nicht die charakteristische goldene Tönung ihrer Rasse. Sie wirkte eher farblos als bleich. Ihre Augen, aus denen große Weisheit sprach, waren grau, und ihr langes Haar war weiß, obwohl sie ansonsten wie ein junges Mädchen aussah.
    Sperber und die anderen beobachteten die Frau, als sie im strahlenden Sonnenschein den Hang heraufkam. Sie überquerte die steile Wiese, auf der die Pferde weideten. Ch'iel, Sephrenias zutraulicher Schimmelzelter, näherte sich der farblosen Frau neugierig, und sie strich mit schlanker Hand sanft über den Kopf der Stute.
    »Das dürfte nahe genug sein«, sagte Vanion; dann rief er der Frau zu: »Was wollt Ihr?«
    »Ich bin Xanetia«, antwortete sie. Ihre Stimme war sanft, hatte jedoch ein leicht hallendes Timbre, das sie sofort als eine Delphae auswies. »Ich soll Eure Geisel sein, Hochmeister Vanion.«
    »Ihr kennt mich?«
    »Wir kennen Euch, Hochmeister Vanion – und jeden Eurer Gefährten. Es widerstrebt Euch, nach Delphaeus zu kommen, weil Ihr befürchtet, daß wir Böses gegen Euch im Sinn haben. Mein Leben soll Euch als Unterpfand unseres guten Willens dienen.«
    »Hör nicht auf sie, Vanion!« sagte Sephrenia hart.
    »Habt Ihr Angst, Priesterin?« fragte Xanetia ruhig. »Eure Göttin teilt Eure Furcht nicht. Nun erkenne ich, daß es Euer Haß ist, der sich dem, was geschehen muß, in den Weg stellt. Deshalb werde ich mein Leben in Eure Hände legen. Tut, was Ihr

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