Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
einiger Entfernung zu sehen.« Er blickte Xanetia an. »Seid Ihr ganz sicher, Anarae? Könnte es nicht vielleicht eine kleine Gruppe Eures Volkes geben, die getrennt von euch anderswo lebt? Die vielleicht von Delphaeus abgeschnitten war und sich mit unseren Feinden zusammengetan hat?«
»Dann wären sie keine Delphae mehr, Zalasta von Styrikum. Wir sind an den See gebunden. Er macht uns zu dem, was wir sind. Und glaubt mir – das Licht, das uns erstrahlen läßt, ist noch der geringste Unterschied zwischen den Delphae und den anderen Menschen.« Sie blickte ihn ernst an. »Ihr seid Styriker, Zalasta von Ylara, und Ihr wißt nur zu gut, wohin es führen kann, wenn man so auffallend anders ist als die anderen.«
»Ja«, bestätigte er. »Zu unserem Leidwesen.«
»Ihr habt Euch entschieden und den Versuch gewagt, neben den anderen Menschenrassen zu leben«, fuhr Xanetia fort. »Für meine Rasse war dies leider nicht möglich. Ihr Styriker werdet zwar oft mit Hohn und Verachtung bedacht, doch eure Unterscheidungsmerkmale werden von den Eleniern oder Tamulern nicht als bedrohlich erachtet. Wir von Delphaeus dagegen erregen panische Angst in den Herzen aller anderen. Die Zeit wird kommen, in der es in eurer Welt keine Trennung der Rassen mehr geben wird. Diese Entwicklung hat bereits begonnen, angeregt vor allem durch das zufällige Bündnis zwischen euch und der Kirche von Chyrellos. Die Ordensritter sind Styrikum wohlgesinnt, und ihr Einfluß wird mit den elenischen Vorurteilen Schluß machen. Ein solches Übereinkommen ist für die Delphae leider unmöglich. Allein unser Aussehen trennt uns für alle Zeit von sämtlichen anderen, und eben das hat uns veranlaßt, den Pakt mit Anakha zu schließen. Wir haben uns an ihn gewandt und ihm unsere Hilfe in seinem Kampf gegen Cyrgon angeboten. Wir haben ihn ersucht, als Gegenleistung Bhelliom einzusetzen, auf daß unser Land für alle Zeit eine Enklave in dieser Welt sein wird. Dann kann sich niemand mehr gegen uns wenden, und wir uns nicht gegen andere. Dadurch sind wir vor anderen sicher und sie vor uns.«
»Das mag eine kluge Entscheidung sein, Anarae«, gestand Zalasta ihr zu. »Es war eine Wahl, wie auch wir sie vor langer Zeit in Erwägung zogen. Die Zahl der Delphae ist beschränkt, und Euer verborgenes Tal bietet euch allen problemlos Platz. Wir Styriker dagegen sind zahlreicher und leben weit verstreut. Unsere Nachbarn wären keineswegs erfreut über ein eigenes styrisches Reich, das an ihre Grenzen stößt. Wir können eurem Beispiel leider nicht folgen, sondern müssen in dieser Welt leben.«
Xanetia erhob sich und legte Kalten die Hand auf die Schulter. »Bleibt hier, edler Ritter«, bat sie. »Ich muß kurz mit Anakha über die Weiterführung unseres Paktes reden. Sollte er Falschheit in mir erkennen, so mag er mich töten.«
Sperber stand auf, ging zur Tür und öffnete sie für die Anarae. Danae, die Rollo hinter sich her zog, folgte ihnen aus dem Gemach.
»Was gibt es, Anarae?« fragte Sperber.
»Begeben wir uns zu jenem Turm, wo wir uns für gewöhnlich unterhalten«, bat sie. »Was ich Euch zu sagen habe, ist nur für Eure Ohren bestimmt.«
Danae blickte sie finster an.
»Auch Ihr dürft meine Worte hören, Hoheit«, beruhigte Xanetia das kleine Mädchen.
»Du bist zu gütig!«
»Wir könnten es ohnehin nicht vor ihr geheimhalten, Xanetia.« Sperber seufzte. »Selbst wenn wir uns auf den höchsten Turm von Matherion begäben, würde sie uns heimlich nachfliegen, um zu lauschen.«
»Könnt Ihr wahrhaftig fliegen, Hoheit?« fragte Xanetia erstaunt.
»Kann das nicht jeder?«
»Benimm dich!« ermahnte Sperber seine Tochter.
Sie stiegen die Treppe hinauf und traten auf das Dach des Turmes. »Anakha, ich muß Euch eine Wahrheit anvertrauen, die Ihr vielleicht nicht glauben wollt«, sagte Xanetia ernst. »Trotzdem ist es die Wahrheit!«
»Das scheint nicht sehr erfreulich zu werden«, bemerkte Danae.
»Anakha, ich habe keine andere Wahl, als Euch eine sehr unerfreuliche Tatsache zu Gehör zu bringen«, fuhr Xanetia bedauernd fort, »denn dies entspricht nicht nur unserem Pakt, sondern ist von grundlegender Bedeutung für das Erreichen unseres gemeinsamen Zieles.«
»Ich habe das Gefühl, ich sollte mich lieber setzen«, sagte Sperber besorgt.
»Wie Ihr es für richtig haltet, Anakha. Mit tiefem Bedauern muß ich Euch darauf aufmerksam machen, daß Euer Vertrauen in Zalasta von Styrikum nicht nur fehl am Platz, sondern für uns alle äußerst
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