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Tamuli 2 - Das leuchtende Volk

Tamuli 2 - Das leuchtende Volk

Titel: Tamuli 2 - Das leuchtende Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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Immer stieß er seinem Opfer das Messer von oben zwischen die dritte und vierte Rippe. Wirksam war es jedenfalls, da ein solcher Stich das Herz gar nicht verfehlen kann. Bersola ließ den Erstochenen auch nie dort liegen, wo er ihn getötet hatte. Er hatte ein fast zwanghaftes Bedürfnis nach Ordnung. Alles mußte an einem ganz bestimmten Platz liegen, auch die sterblichen Überreste seiner Opfer. Da Bersola in der dakonischen Stadt Ederus an der Küste des Binnenmeers von Edom lebte und arbeitete, war das ein leichtes. Eine kurze Fahrt mit dem Ruderboot und ein paar Steine an die Knöchel des Hingemeuchelten beseitigten alle Spuren. Da Bersola jedoch von der Macht der Gewohnheit beherrscht war, versenkte er die Leichen stets an genau derselben Stelle. Die anderen Berufsmörder in Ederus sprachen mit abfälligem Lachen von »Bersolas Riff«. Ein Platz auf dem Meeresboden auf dem sich angeblich die versenkten Leichen häuften. Selbst Leute, die überhaupt nicht wußten, um was es ging, sprachen von Bersolas Riff.
    »Du hast es also unbedingt tun müssen, nicht wahr?« schalt Bersola die Leiche, die er zu dem Riff hinausruderte. »Du mußtest einfach jemanden beleidigen! Dir ist doch klar, daß du niemandem außer dir selbst die Schuld geben kannst, nicht wahr? Hättest du dich anständig benommen, wäre das nicht passiert!«
    Der Tote antwortete nicht. Tote taten das eigentlich nie.
    Bersola stellte das Rudern ein und nahm die Peilung vor. Da war das vertraute Licht im Fenster von Fannas Taverne am fernen Ufer, und das Leuchtfeuer auf der Felsspitze auf der näheren Seite. Die Laterne auf dem Pier, das weit von Ederus entfernt ins Binnenmeer ragte, lag in gerader Linie vom Heck. »Das ist die Stelle«, erklärte Bersola dem Toten. »Du hast da unten eine Menge Gesellschaft; es wird also nicht so schlimm sein.« Er holte die Ruder ein und kroch nach vorn. Nachdem er die Knoten am Seil überprüft hatte, das den schweren Stein zwischen den Knöcheln des Ermordeten hielt, entschuldigte er sich. »Tut mir wirklich leid, weißt du. Aber du bist selbst schuld!« Er hob den Stein – und die Beine des Toten – über die Bootskante. Dann hielt er ihn kurz an den Schultern fest. »Möchtest du noch was sagen?«
    Er wartete einen angemessenen Moment, doch die Leiche antwortete nicht.
    »Eigentlich hab' ich's auch gar nicht erwartet, weißt du«, sagte Bersola. Er ließ die Schultern los, und die Leiche glitt schlaff über das Dollbord und verschwand im dunklen Wasser.
    Während Bersola nach Ederus zurückruderte, pfiff er sein Lieblingslied.
    Avin Wargunsson, Prinzregent von Thalesien, war fuchsteufelswild. Patriarch Bergsten hatte Thalesien verlassen, ohne ihn um Erlaubnis zu bitten. Es war unerhört! Der Mann hatte nicht die geringste Achtung vor der Würde des Prinzregenten. Schließlich würde er, Avin Wargunsson, eines Tages König sein – sobald dieser tobende Irre im Nordturm endlich den Anstand hatte, das Zeitliche zu segnen –, und soviel Artigkeit konnte er nun wirklich verlangen! Aber die Leute beachteten ihn einfach nicht. Dieser offensichtliche Mangel an Respekt vor seiner allerhöchsten Person schwärte an der Seele des kleinen Kronprinzen. Avin war kaum mehr als fünf Fuß groß, und in einem Land voller blonder Menschen, die mindestens einen Fuß größer waren als er, übersah man ihn gern. Seine Kindheit hatte er damit verbracht, wie eine Maus zwischen den Beinen der Hünen herumzuhuschen, die ihm unbeabsichtigt auf die Füße traten, weil sie nicht nach unten blickten und deshalb nicht einmal bemerkten, daß Avin überhaupt da war.
    Es kostete ihn oft große Mühe, seine Wut nicht laut hinauszubrüllen.
    Ohne auch nur anstandshalber anzuklopfen, rissen zwei stämmige, blonde Rüpel die Tür auf und rollten ein riesiges Faß in den Saal. »Da ist das Faß mit arzischem Rotwein, das Ihr wolltet, Avin«, sagte der eine. Der ungebildete Barbar kannte nicht einmal die angemessene Anrede.
    »Ich habe kein Faß Wein bestellt«, brauste Avin auf.
    »Der Hauptmann der Wache hat gesagt, daß Ihr ein Faß arzischen Roten wollt«, widersprach der andere blonde Wilde und schloß die Tür. »Wir tun bloß, was man uns befohlen hat. Wohin wollt Ihr es?«
    »Ach, stellt es dort hinüber«, sagte Avin und wies mit der Hand in eine Zimmerecke. Das war einfacher, als sich mit diesen Burschen zu streiten.
    Sie rollten das Faß über den Boden und stellten es in der Ecke auf.
    »Ich glaube nicht, daß ich euch kenne«,

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