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Tamuli 2 - Das leuchtende Volk

Tamuli 2 - Das leuchtende Volk

Titel: Tamuli 2 - Das leuchtende Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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Waldboden liegen – reglos, doch immer noch in Auflösung begriffen, als Xanetias Fluch sein unerbittliches Werk verrichtete.
    Das Feuer der Anarae wurde zunehmend schwächer, als sie ihr leuchtendes Gesicht in den glühenden Händen vergrub und weinte.

28
    Es regnete in Esos – ein kalter, anhaltender Regen, wie er jeden Herbst von den zemochischen Bergen kam. Doch tat er dem Erntedankfest keinen großen Abbruch, hauptsächlich wohl deshalb, weil die meisten Feiernden zu betrunken waren, überhaupt auf das Wetter zu achten.
    Stolg jedoch war nicht betrunken. Er war sozusagen im Dienst, und für Burschen, die bei der Arbeit soffen, hatte er nur Verachtung übrig. Stolg war ein unauffälliger Mann in schlichter Kleidung. Er trug das Haar in kurzem Bürstenschnitt, und er hatte große, kräftige Hände. Niemand widmete ihm auch nur einen Blick, als er sich durch die Massen von Feiernden schlängelte, um sich in jenes Stadtviertel zu begeben, in dem die wohlhabenderen Bürger wohnten.
    Stolg und sein Weib Ruta hatten an diesem Morgen gestritten; deshalb war Stolg jetzt schlechter Laune wie stets nach einer solchen Auseinandersetzung. Dabei hat Ruta wirklich kaum einen Grund, sich zu beklagen, dachte er, während er einer Schar betrunkener junger Edelleute auswich. Schließlich war er ein treusorgender Familienvater, und alle ihre Freunde beneideten sie um ihr hübsches Häuschen am Stadtrand. Ihr Sohn ging bei einem hiesigen Tischler in die Lehre, und ihre Tochter hatte die besten Aussichten, gut zu heiraten. Stolg liebte Ruta, doch es kam immer wieder vor, daß Ruta sich schrecklich über irgendwelche unwichtigen Kleinigkeiten ärgerte und ihm dann in den Ohren lag, etwas dagegen zu unternehmen. Diesmal hatte sie sich aufgeregt, weil die Haustür kein richtiges Schloß besaß, das man mit einem Schlüssel öffnen und schließen konnte. Und so oft Stolg ihr auch versichert hatte, daß gerade sie ganz bestimmt kein Schloß benötigten, war Ruta dennoch eigensinnig darauf herumgeritten, wie immer.
    Stolg blieb stehen und zog sich in einen tiefen Hauseingang zurück, als die Stadtwache vorbeimarschierte. Normalerweise hätte Djukta die Wache bestochen, Stolg gegenüber blind und taub zu sein, doch jetzt war Erntedank, und in dem Trubel wären mögliche Aufschreie gar nicht herauszuhören gewesen. Djukta gab kein Geld aus, wenn es nicht unbedingt nötig war. In den verrufeneren Schenken von Esos witzelte man, daß Djukta sich den gewaltigen Bart nur habe wachsen lassen, um das Geld für einen Umhang zu sparen.
    Stolg erblickte das Haus, das sein Ziel war, und schlich sich in die dahinterliegende schmutzstarrende, übelriechende Gasse. Er hatte dafür gesorgt, daß eine Leiter an die Hausrückseite gelehnt worden war. Nun kletterte er rasch hinauf, drang durch ein Fenster im ersten Stock ins Haus ein, schritt den Flur entlang und öffnete am anderen Ende die Tür zu einem Schlafgemach. Ein ehemaliger Bediensteter der Hausbesitzer hatte einen Plan gezeichnet und das Gemach des Hausherrn – Graf Kinad, ein unbedeutender Edelmann – mit einem Kreuz markiert. Im Gemach legte Stolg sich aufs Bett. Wenn er schon warten mußte, konnte er es sich zumindest bequem machen. Unten schienen die Besucher zu feiern; jedenfalls hörte Stolg das Lärmen und Lachen bis hier herauf.
    Während er so da lag, entschied er sich, das Schloß anzubringen, auf das Ruta so erpicht war. Der Friede und die Ruhe im Haus würden die geringen Unkosten mehr als aufwiegen.
    Kaum eine halbe Stunde nach Stolgs Ankunft waren schwere, stolpernde Schritte auf der Treppe zu hören. Stolg rollte sich rasch aus dem Bett, schlich zur Tür und drückte sein Ohr ans Holz.
    »Es macht gar keine Umstände«, versicherte eine ziemlich schwere Zunge auf dem Flur. »Ich habe eine Abschrift in meinem Schlafgemach.«
    »Nein, wirklich, Graf Kinad«, erklang eine Frauenstimme aus dem Erdgeschoß. »Ich glaube Euch auch so.«
    »Nein, Baroneß. Ich möchte, daß Ihr Wort für Wort lest, was seine Majestät persönlich angeordnet hat. Es ist die idiotischste Proklamation, die mir je unter die Augen gekommen ist!« Die Tür schwang auf, und ein Mann mit einer Kerze in der Hand trat ein. Es war der Mann, den man Stolg vor zwei Tagen genau beschrieben hatte – sein Aussehen, seine Gewohnheiten, seinen Tagesablauf. Stolg fragte sich müßig, was Graf Kinad getan hatte, um jemanden so sehr zu ergrimmen, daß es diesen kostspieligen Auftrag rechtfertigte. Er schob diesen

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