Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
Er stieß Sperber mit dem Ellbogen an. »Bezahl ihn!« Dann drehte er sich um und stapfte die Treppe hinunter.
Sie übergaben ihre Pferde den Knechten und trugen ihre Sattelbeutel zu den Zimmern hinauf; dann stiegen sie wieder die Treppe hinunter, um in der Gaststube zu Abend zu essen.
Wie üblich schaufelte Kalten seinen Teller randvoll mit dampfendem Rindfleisch.
»Vielleicht sollten wir irgendwo ein zweites Rind besorgen«, meinte Berit lachend.
»Er ist zwar noch sehr jung«, sagte Kalten zu den anderen, »aber mir gefällt seine offene, ehrliche Art.« Er grinste Berit an; dann aber schwand das Grinsen allmählich, und der große blonde Pandioner wurde kreidebleich. Er starrte noch ein Weile auf das Gesicht des jungen Ritters, bis er abrupt seinen Teller von sich schob und aufstand. »Ich glaub', ich bin gar nicht hungrig, nur müde. Ich gehe zu Bett.« Er drehte sich um, durchquerte rasch die Gaststube und rannte die Treppe hinauf, wobei er immer zwei Stufen auf einmal nahm.
»Was ist denn in den gefahren?« fragte Ulath verwundert. »Ich hab' noch nie erlebt, daß er sein Essen stehengelassen hat.«
»Das stimmt, bei Gott!« bestätigte Bevier.
»Rede mit ihm, wenn du nach oben gehst, Sperber«, riet Vanion. »Finde heraus, ob er krank ist oder sich aus einem anderen Grund nicht wohl fühlt. Kalten läßt nie einen Bissen auf seinem Teller zurück.«
»Und wenn man's recht bedenkt, auch nicht auf dem Teller von jemand anderem«, fügte Talen hinzu.
Sperber aß schnell, wünschte den anderen eine gute Nacht und ging zu der Schlafkammer hinauf, um mit seinem Freund zu reden. Kalten saß auf der Bettkante, das Gesicht in den Händen vergraben.
»Was hast du?« fragte Sperber. »Fühlst du dich nicht gut?«
Kalten wandte den Kopf ab. »Laß mich in Ruhe«, sagte er heiser.
»Bestimmt nicht. Also, was ist los?«
»Spielt keine Rolle.« Der blonde Ritter zog laut die Nase hoch und wischte mit dem Handrücken über die Augen. »Komm, saufen wir uns einen an.«
»Nicht, bevor du mir gesagt hast, was dir so zu schaffen macht.«
Wieder zog Kalten die Nase hoch und schob das Kinn vor. »Es ist etwas Dummes. Du würdest mich auslachen.«
»Das solltest du besser wissen!«
»Da ist ein Mädchen, Sperber, aber sie liebt einen anderen. Bist du jetzt zufrieden?«
»Warum hast du nicht schon eher was davon gesagt?«
»Weil ich es gerade erst herausgefunden habe.«
»Ich verstehe dich nicht, Kalten. Für dich war ein Mädchen stets wie das andere. Meistens erinnerst du dich nicht einmal an ihre Namen.«
»Diesmal ist es etwas anderes. Können wir uns jetzt besaufen?«
»Woher willst du wissen, daß die Maid nicht dasselbe für dich empfindet wie du für sie?« Sperber wußte, um welches Mädchen es ging, und er war ganz sicher, daß es die Gefühle seines Freundes erwiderte.
Kalten seufzte. »Weiß Gott, es gibt so manchen, der klüger ist als ich, Sperber. Ich habe bis jetzt gebraucht, um darauf zu kommen. Aber eins sag' ich dir – wenn der Kerl ihr das Herz bricht, bring' ich ihn um, Bruder oder nicht.«
»Würdest du wenigstens versuchen , dich verständlich auszudrücken?«
»Sie hat mir zu verstehen gegeben, daß sie einen anderen liebt – so klar und deutlich, als hätte sie es mit Worten gesagt.«
»Alean? So was würde sie niemals tun.«
»Woher weißt du, daß es Alean war?« Der blonde Riese sprang auf. »Habt ihr euch alle hinter meinem Rücken über mich lustig gemacht?« fragte er streitsüchtig.
»Wie kannst du das nur denken! So etwas würden wir nie tun. Uns allen ist es irgendwann genauso ergangen. Du hast die Liebe nicht erfunden, mein Freund.«
»Aber alle wissen es, nicht wahr?«
»Nein. Wahrscheinlich nur ich – von Melidere abgesehen. Ihr entgeht nichts. Also, was soll dieser Unsinn, daß Alean einen anderen liebt?«
»Ich bin gerade selbst darauf gekommen!«
» Worauf bist du gekommen? Red so, daß man es auch verstehen kann, Kalten!«
»Hast du sie am Tag unserer Abreise nicht singen gehört?«
»Natürlich. Sie hat eine wunderschöne Stimme.«
»Ich rede nicht von ihrer Stimme. Ich meine das Lied, das sie gesungen hat! Mein süßer blauäugiger Liebster! «
»Na und?«
»Dieser süße Liebste ist Berit, Sperber! Alean liebt Berit!«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Es ist mir vorhin aufgefallen, als wir uns zum Abendessen setzten.« Wieder vergrub Kalten das Gesicht in den Händen. »Ich hab' nie zuvor darauf geachtet. Aber als ich Berit vorhin ins Gesicht
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