Tamuli 2 - Das leuchtende Volk
Auftritt war wirkungsvoll und gekonnt. Er stellte sich übertrieben in Positur, hob beide Arme über den Kopf und begann mit hohler, dröhnender Stimme unverständliche kehlige Laute zu leiern.
»Ist das Styrisch?« fragte Kalten Sephrenia leise. »Für mich hört es sich nicht wie Styrisch an.«
»Es ist Geschwafel«, erwiderte sie abfällig.
Kalten runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht, daß ich je von ihnen gehört habe«, wisperte er. »Auf welchem Erdteil leben denn die Schwafler?«
Sephrenia starrte ihn verblüfft an.
»Habe ich es falsch gesagt? Nennt man sie Schwaflier? Oder vielleicht Schwaflianer? Ich meine das Volk, das Geschwafel spricht.«
»O Kalten!« Sie lachte leise. »Ihr seid umwerfend. Darum mag ich Euch auch so.«
Rebals Stimme hatte sich zu einem Kreischen erhoben. Jetzt ließ er beide Arme heftig fallen.
Aus dem Feuer ertönte ein lauter Knall und eine gewaltige Rauchwolke stieg auf, die sich über die ganze Lichtung ausbreitete.
»Werft euch vor mir nieder und vernehmet meine Worte, ihr, die ihr hier zusammengekommen seid«, dröhnte eine ohrenbetäubende Stimme aus dem Rauch. »Nun ist die Zeit angebrochen, tapferen Herzens entgegenzutreten dem Bösen. Mögen alle wahren Edomischmänner zu den Waffen eilen! Rüstet euch mit den ehernen Harnischen und Helmen, leget an die Armbrustschaften, und gürtet die scharfgeschliffenen Schwerter. Tötet die Feinde, die eines nur im Sinne haben, euch und eurer Lieben Leib und Leben, Hab und Gut zu rauben. Seid einig, als wäret nur ein Mann ihr mit einem Arm und einem Schwerte, und kämpfet gegen die verfluchte Kirche von Chyrellos und ihre Pfaffen. Folget mir auf die Walstatt, freisliche Recken, und die Götter werden mit euch sein.«
»Althochelenisch!« rief Bevier unwillkürlich. »Seit Tausenden von Jahren hat es niemand mehr gesprochen!«
»Ich würde ihm folgen, was immer es auch für eine Sprache ist«, brummte Ulath. »Er ist ein überzeugender Redner.«
Der Rauch löste sich allmählich auf und an Rebals Seite erschien ein riesenhafter, breitschultriger Mann in antiker Rüstung, der mit beiden Händen ein gewaltiges Schwert über den Kopf hielt. »Nieder mit den Feinden!« brüllte er.
5
»Sie sind jetzt alle weg«, meldete Berit, als er und Talen zu dem gut verborgenen Lager in der Klamm zurückkehrten. »Allerdings sind sie noch eine ganze Weile im Kreis herummarschiert und haben ihre Parolen gebrüllt.«
»Bis sie kein Bier mehr hatten«, fügte Talen trocken hinzu. »Da sind sie auseinandergegangen.« Er blickte Flöte an. »Und du meinst wirklich, das war von besonderer Bedeutung? Ich hielt es für ausgemachten Schwindel.«
Sie nickte heftig. »Es war von Bedeutung! Ich weiß nicht warum, aber es war sehr wichtig!«
»Wie haben sie diesen Knall und den vielen Rauch zustande gebracht?« fragte Kalten.
»Einer der Kerle neben dem Feuer hat eine Handvoll Pulver auf die Holzkohlen geworfen«, erklärte Khalad schulterzuckend. »Alle starrten auf Rebal, darum hat es niemand bemerkt.«
»Von wo ist der Kerl in der Rüstung gekommen?« wollte Ulath wissen.
»Er hatte sich in der Menge versteckt«, antwortete Talen. »Das Ganze ist wie billiger Jahrmarktzauber, mit dem man nur noch in der finstersten Provinz Eindruck schinden kann.«
»Aber der Bursche, der vorgetäuscht hat, Incetes zu sein, hielt eine mitreißende Rede«, bemerkte Ulath.
»Kein Wunder.« Bevier lächelte. »Phalactes hat sie im siebten Jahrhundert verfaßt.«
»Wer war Phalactes?« wollte Talen wissen.
»Der größte Bühnendichter der Antike. Diese mitreißende Rede ist aus Etonicus, einer seiner Tragödien. Dieser Bursche in der antiken Rüstung hat lediglich ein paar Worte ausgetauscht. Es ist ein klassisches Stück, das hin und wieder noch heute an Universitäten aufgeführt wird.«
»Du bist eine lebende Bibliothek, Bevier«, sagte Kalten. »Erinnerst du dich Wort für Wort an alles, was du je gelesen hast?«
Bevier lachte. »Es wäre schön, wenn ich das könnte. Ein paar Kommilitonen und ich haben während unserer Studienzeit Etonicus aufgeführt. Da ich die Hauptrolle spielte, mußte ich diese Rede natürlich auswendig lernen. Phalactes' Dichtungen sind wirklich mitreißend. Er war ein großer Künstler – ein Arzier natürlich.«
»Ich habe ihn nie besonders gemocht.« Flöte rümpfte die Nase.
»Er war häßlich wie die Sünde, stank wie eine Senkgrube – und er war ein selbstgerechter Heuchler.«
Bevier schluckte. »Bitte, sag so etwas
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