Tamuli 3 - Das Verborgene Land
Es war nichts Greifbares, lediglich das Gefühl einer übermächtigen Präsenz, eine Aura, wie kein Mensch sie besaß.
Die Gestalt sah wie ein ungewöhnlich schöner junger Mann aus. Sie hatte krauses Haar, klassische Züge und sehr große, fast strahlende Augen.
»Ah, da seid ihr ja, meine Herren«, sagte er höflich in makellosem Elenisch. »Ich habe euch überall gesucht.« Er schaute sich um. »Das ist ja ein abscheulicher Flecken, findet ihr nicht? Genau einen solchen Ort stellt man sich als Lebensraum der Cyrgai vor, nicht wahr? Cyrgon ist schrecklich verschroben. Er liebt Häßlichkeit. Seid ihr ihm je begegnet? Ein gräßlicher Bursche! Absolut kein Gefühl für Schönheit!« Er lächelte; es war ein bezauberndes, leicht abwesendes Lächeln. »Meine Base Aphrael hat mich geschickt. Sie wäre gern selbst gekommen, doch sie ist zur Zeit sehr beschäftigt – aber das ist sie eigentlich immer, nicht wahr? Untätigkeit macht sie nervös.« Er runzelte die Stirn. »Sie bat mich, euch etwas auszurichten.« Sein Stirnrunzeln vertiefte sich. »Was war es doch gleich? Ich bin in letzter Zeit ziemlich vergeßlich.« Er hob eine Hand. »Nein«, wehrte er ab. »Sagt es mir nicht. Es wird mir gleich wieder einfallen. Es ist allerdings schrecklich wichtig, und wir sollen uns beeilen … Ich werde mich bestimmt gleich daran erinnern, wenn wir uns einstweilen schon auf den Weg machen.« Er blickte sich um. »Meine Herren, habt ihr vielleicht eine Ahnung, wohin wir uns begeben sollen?«
»Es wird nicht funktionieren, Aphrael«, brummte Kalten mürrisch. »Ich habe es sogar versucht, als ich stockbesoffen war, aber da war es auch nicht anders. Ich werde verrückt, sobald ich spüre, wie das Wasser sich über meinem Kopf schließt.« »Versuch es trotzdem, Kalten«, drängte ihn die sehr knapp bekleidete Göttin. »Es wird dich ganz bestimmt entspannen.« Sie drückte ihm den Krug in die Hand. Er roch argwöhnisch daran. »Es riecht gut. Was ist es?« »Wir trinken es auf unseren Festen.«
»Das Bier der Götter?« Seine Augen leuchteten auf. »Wenn das nichts ist!« Er nahm einen vorsichtigen Schluck. »Hmmm!« murmelte er begeistert. »Köstlich!«
»Trink es aus!« wies sie ihn an und beobachtete ihn aufmerksam.
»Mit Vergnügen.« Er leerte den Krug und wischte sich die Lippen ab. »Das ist wirklich gut! Wenn man das Rezept hätte, könnte man …« Er hielt abrupt inne, und seine Augen wurden glasig.
»Legt ihn nieder«, wies Aphrael die anderen an. »Rasch, bevor er steif wird. Ich möchte nicht, daß er verdreht wie eine Brezel ist, wenn ich ihn durch den Tunnel ziehe.«
Talen krümmte sich und hatte beide Hände fest auf den Mund gepreßt, um sein Lachen zu unterdrücken.
»Was ist denn mit dir los?« fragte die Göttin scharf.
»Nichts«, japste er. »Gar nichts.«
»Mit dem werde ich noch so manches erleben«, murmelte Aphrael Sperber zu. »Geht das wirklich?« fragte Sperber, ohne auf ihre Worte einzugehen. »Mit Kalten, meine ich. Kannst du einen Bewußtlosen tatsächlich durch das Wasser ziehen, ohne daß er ertrinkt?«
»Ich halte seine Atmung an.« Sie ließ den Blick über die Gefährten schweifen. »Und daß mir keiner auf die Idee kommt, mir helfen zu wollen!« mahnte sie. »Konzentriert euch darauf, selbst hindurchzutauchen. Im Gegensatz zu euch brauche ich nicht zu atmen, und ich möchte nicht eine Stunde oder länger in dem Becken herumfischen, sobald wir drüben sind, um euch einzeln herauszuholen. Hat sonst noch jemand irgendwelche Probleme, die er mir verschwiegen hat? Gesteht sie mir jetzt – bevor wir alle unter Wasser sind.« Sie blickte Bevier eindringlich an. »Möchtest du mir nicht etwas sagen? Dir macht doch etwas zu schaffen.«
»Nichts von Bedeutung, Göttin«, murmelte er. »Ich komme schon hindurch. Ich schwimme wie ein Fisch.« Doch er vermied es, sie dabei anzusehen.
»Was ist es dann?«
»Ich möchte nicht darüber sprechen.«
Sie seufzte. »Männer!« Dann stieg sie in den Schacht, der sie zu dem unterirdischen Fluß und der inneren Mauer bringen würde. »Hebt Kalten herunter«, befahl sie. »Wir wollen es angehen.«
»Ich würde wirklich gern etwas dagegen tun«, murmelte Sephrenia Vanion zu, als sie über den Kieshügel am Lager der Sklavenjäger spähten.
»Ich auch, Liebste«, entgegnete der Hochmeister. »Aber ich glaube, wir sollten damit bis später warten. Wenn alles planmäßig verläuft, werden wir sie bereits erwarten, wenn sie in Cyrga anlangen.« Vanion
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