Tamuli 3 - Das Verborgene Land
Tynian nickte. »Er scheint mit seiner Umgebung zu verschmelzen, nicht wahr?«
»Das gehört zum Wesen eines Trolls, Tynian. Er ist Teil des Waldes.«
»Sephrenia sagt, daß wir entfernt mit den Trollen verwandt sind.«
»Wahrscheinlich hat sie recht. So viele Unterschiede zwischen uns und den Trollen gibt es eigentlich gar nicht. Sie sind größer und haben andere Eßgewohnheiten.« »Wie lange wird das wohl noch dauern?«
»Ich habe keine Ahnung. Soviel ich weiß, hat es so etwas bisher noch nie gegeben!« »Was wird er als nächstes tun?«
»Sobald er sicher ist, daß wir von seiner Anwesenheit wissen, wird er wahrscheinlich versuchen, sich irgendwie mit uns zu verständigen.«
»Weiß er, daß du Trollisch kannst?«
»Möglich. Die Trollgötter kennen mich und wissen, daß ich zu Sperbers Rudel gehöre.«
»Das ist eine merkwürdige Formulierung.«
»Ich versuche, wie ein Troll zu denken. Wenn ich das schaffe, kann ich vielleicht vorhersehen, was er als nächstes tun wird.«
Da brüllte der Troll zu ihnen hinauf.
»Was hat er gesagt?« fragte Tynian nervös.
»Er möchte wissen, was er tun soll. Er ist sehr verwirrt.«
»Er ist verwirrt? Was bin dann ich?«
»Er hat den Auftrag, auf uns zu warten und uns zu den Trollgöttern zu bringen. Er hat keine Ahnung von unseren Sitten und Gebräuchen und weiß nicht, wie er sich uns gegenüber benehmen muß. Wir müssen ihm weiterhelfen. Steck dein Schwert ein! Wir wollen die Dinge doch nicht noch schlimmer machen, als sie ohnehin sind.« Ulath erhob sich. Er achtete darauf, sich nicht zu hastig zu bewegen. Dann hob er die Stimme und rief auf Trollisch den Hang hinunter: »Komm zu diesem Kind Khwajs herauf, das wir gemacht haben. Wir werden miteinander essen und sprechen, was wir tun müssen.« »Was hast du ihm gesagt?« »Ich habe ihn zum Frühstück eingeladen.«
»Du hast was? Nur ein paar Fuß von uns entfernt soll ein Troll zu fressen anfangen?«
»Es ist eine Vorsichtsmaßnahme. Es wäre unhöflich von ihm, uns zu töten, nachdem er Essen von uns angenommen hat.«
»Unhöflich? Das da unten ist ein Troll, Ulath!«
»Nur weil er ein Troll ist, heißt das noch lange nicht, daß er schlechte Manieren hat. Ach, ehe ich's vergesse: Wenn er in unser Lager kommt, wird er uns beschnüffeln wollen. Es gehört sich, daß auch wir ihn beschnüffeln. Er wird nicht sehr gut riechen, aber tu's trotzdem! Trolle beschnuppern sich, um einander zu erkennen, wenn sie sich je wiederbegegnen.« »Ich glaube, du hast den Verstand verloren!«
»Halte dich ganz einfach an mich und überlaß das Reden mir.«
»Was sollte ich sonst tun? Ich beherrsche kein Trollisch! Schon vergessen?« »Du kannst kein Trollisch? Das ist ja ein Ding! Ich dachte, jeder gebildete Mensch beherrscht diese Sprache.«
Fast lautlos näherte sich ihnen der Troll durch den Buchenwald. Häufig benutzte er die Arme, zog sich daran weiter und bewegte sich mit dem ganzen Körper. Er war etwa drei Meter groß und hatte einen glänzenden braunen Pelz. Mit Ausnahme des Gesichts ähnelte er in gewisser Weise einem riesigen Affen, und aus seinen tiefliegenden Augen sprach ein Schimmer von Intelligenz. Er kletterte auf den Sims, wo die Gefährten ihr Lager aufgeschlagen hatten; dann hockte er sich nieder und stützte die Unterarme auf die Knie, wobei er darauf achtete, daß seine Pranken zu sehen waren. »Ich habe keinen Prügel«, erklärte er halb knurrend.
Gestenreich legte Ulath seine Axt zur Seite und streckte die leeren Hände aus. »Ich habe keinen Prügel«, erwiderte er den üblichen Trollgruß. »Nimm deinen Waffengürtel ab, Tynian«, murmelte er. »Schieb ihn ein Stück von dir weg.« Zuerst wollte Tynian sich weigern, tat dann aber wie geheißen.
»Das Kind von Khwaj, das du gemacht hast, ist gut.« Der Troll zeigte auf ihr Feuer.
»Khwaj wird sich freuen.«
»Es ist gut, die Götter zu erfreuen«, erwiderte Ulath.
Der Troll hieb plötzlich die Fäuste auf den Boden. »Das ist nicht, wie es sein sollte!« rief er unglücklich.
»Nein«, bestätigte Ulath und kauerte sich auf ähnliche Weise nieder wie der Troll. »Das ist es nicht. Aber die Götter haben ihre Gründe dafür. Sie haben gesagt, wir dürfen einander nicht töten. Sie haben auch gesagt, wir dürfen einander nicht fressen.«
»Ich habe gehört, wie sie das sagten. Vielleicht haben wir sie falsch verstanden.«
»Das glaube ich nicht.«
»Könnte es sein, daß ihr Kopf krank ist?«
»Das ist möglich. Trotzdem müssen wir ihnen
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