Tamuli 3 - Das Verborgene Land
wirklich nicht mitzukommen brauchen, mein Freund! Sarathi hätte Verständnis gehabt.«
»O nein, Darellon. Dies ist wahrscheinlich mein letzter Feldzug. Ich hätte ihn mir um nichts auf der Welt entgehen lassen!« Abriel spähte geradeaus. »Was macht Komier eigentlich da vorn?«
»Hochmeister Komier hat gesagt, daß er sich die Ruinen von Zemoch anschauen möchte«, entgegnete Ritter Heldin in polterndem Baß. »Ich vermute, Thalesiern bereitet es ein gewisses Vergnügen, nach einem Krieg die Trümmer zu betrachten.« »Thalesier sind ein barbarisches Volk«, brummte Abriel säuerlich. Er warf einen raschen Blick auf Bergsten, der völlig in sein Gebetbuch vertieft zu sein schien. »Das solltet Ihr aber besser für Euch behalten, meine Herren«, ersuchte er Darellon und Heldin.
»Das werde ich ganz bestimmt, Abriel«, versicherte Bergsten, ohne von seinem Gebetbuch aufzublicken.
»Ihr habt unverschämt scharfe Ohren, Eminenz.«
»Das kommt vom Beichte abnehmen. Die Menschen posaunen zwar gern die Sünden anderer heraus, aber wenn sie ihre eigenen gestehen, kann man sie kaum hören.« Bergsten hob den Kopf und streckte die Hand aus. »Komier kommt zurück.« Der Hochmeister der Genidianer war bester Laune, als er sein Pferd zügelte und der staubfeine Schnee hoch aufwirbelte. »Wenn Sperber eine Ortschaft zerstört, bleibt kein Stein auf dem anderen«, erklärte er vergnügt. »Ich habe Ulath nicht so recht geglaubt, als er erzählte, daß unser Freund das Dach des Azashtempels weggepustet hat. Jetzt glaube ich es. Einen solchen Trümmerhaufen habt ihr noch nie gesehen! Ich kann mir nicht vorstellen, daß in der Stadt auch nur noch ein bewohnbares Haus steht!«
»Euch gefällt so was wirklich, stimmt's, Komier?« sagte Abriel vorwurfsvoll. »Das reicht, meine Herren!« fiel Bergsten rasch ein. »Wir werden dieses alte Streitgespräch nicht neu entfachen. Wir führen auf unterschiedliche Weise Krieg. Arzier erbauen gern Burgen und andere Festungen, und Thalesier reißen sie gern nieder. Das alles gehört zur Kriegführung, und dafür werden wir bezahlt!«
»Wir, Eminenz?« grollte Heldin mit leisem Spott in der Stimme.
»Ihr wißt genau, was ich meine, Heldin. Ich persönlich habe natürlich nichts mehr damit zu tun, aber …«
»Warum habt Ihr dann Eure Streitaxt dabei, Bergsten?« fragte Komier.
Bergsten blickte ihn mißbilligend an. »Um alter Zeiten willen – und weil ihr thalesischen Banditen mehr Respekt vor jemandem habt, der eine Axt in der Hand hält.«
»Ritter, Eminenz«, berichtigte Komier seinen Landsmann milde. »Wir werden jetzt Ritter genannt. Wir waren mal Banditen, doch inzwischen wissen wir uns zu benehmen.«
»Die Kirche begrüßt es, daß Ihr Euch um Besserung bemüht, mein Sohn, aber sie zweifelt auch nicht daran, daß Ihr das Blaue vom Himmel herunterlügt.«
Abriel unterdrückte ein Lächeln. Bergsten war früher selbst genidianischer Ritter gewesen, und manchmal vergaß er auch jetzt noch seinen hohen geistlichen Stand. »Wer hat die Karte?« fragte er, weniger aus wirklichem Interesse, als um ein drohendes Streitgespräch abzuwenden.
Heldins schwarze Panzerrüstung klirrte, als er einen seiner Sattelbeutel öffnete. »Was möchtet Ihr gern wissen, Eminenz?« erkundigte er sich, während er die Karte hervorholte.
»Das übliche. Wie weit? Wie lange? Mit welchen Unannehmlichkeiten müssen wir als nächstes rechnen?«
»Es sind nur noch wenig mehr als dreihundert Meilen bis zur astelischen Grenze, Eminenz«, erwiderte Heldin nach einem Blick auf seine Karte, »und zweitausendsiebenhundert von dort nach Matherion.«
»Also mindestens noch hundert Tage«, brummte Bergsten mißmutig.
»Und das auch nur, wenn wir keine Schwierigkeiten bekommen, Eminenz«, fügte Darellon hinzu.
»Werft einen Blick über die Schulter, Darellon. Hinter uns reiten hunderttausend Ordensritter. Es gibt keine Schwierigkeiten, mit denen wir nicht fertig werden! Was für ein Gelände liegt vor uns, Heldin?«
»Etwa drei Tage östlich von hier befindet sich eine Wasserscheide, Eminenz. Alle Flüsse auf dieser Seite münden in den Merjuker Meerbusen, und die auf der anderen Seite versickern in den astelischen Sumpfgebieten. Ich könnte mir vorstellen, daß unser Weg bergab führt, nachdem wir diese Wasserscheide überquert haben – es sei denn, Otha hat bewirken können, daß hier in Zemoch das Wasser bergauf fließt.« Ein genidianischer Ritter trabte herbei. »Ein Kurier aus Emsat hat uns soeben
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