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Tangenten

Tangenten

Titel: Tangenten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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einen Kilometer hoch erhoben und sich über die Ebene erstreckt. Es bedeckte fünfzehn Kilometer Hochland, bevor es über den südlichen Rand in der Moab-Marduk-Kette verschwand. Unser Landungsbereich ist einen Kilometer vom nächsten Fragmentfeld entfernt. Linker folgte mir bis zum Rand des Feldes mit grünem und blauen Gras. Er schwieg und blickte sich besorgt um, als ob er erwartete, daß etwas zwischen uns und dem Lander aus dem Boden schießen würde.
    Ich hatte ein Notizbuch in meinem Ranzen und hielt inne, um einige der Pfeiler, die die Wintertruppen noch nicht niedergerissen hatten, zu skizzieren. Keiner von ihnen war über vier Meter hoch.
    »Ich fürchte mich vor ihnen«, sagte Linker über das Anzugradio. Ich hörte mit dem Skizzieren auf, um zu ihm hinüberzublicken.
    »So?« fragte ich mit einem Anflug der Verwirrung nach. »Wir fürchten uns alle vor ihnen.«
    »Ich fürchte mich nicht vor ihnen, weil sie mich verletzen könnten. Eher wegen dem, was sie bei mir zum Vorschein bringen könnten, wenn ich ihnen nur eine halbe Chance geben würde. Ich will sie nicht hassen.«
    »Nicht einmal Cobb haßt sie«, sagte ich.
    »O doch, das tut er«, sagte Linker und nickte in seinem unförmigen Helm mit dem Kopf. »Aber er fürchtet um sein Leben. Ich fürchte um meine Selbstachtung.«
    Ich schüttelte meinen Helm, um anzudeuten, daß ich es nicht verstand.
    »Weil ich sie nicht verstehen kann. Sie sind irrational. Sie scheinen uns nicht einmal zu sehen. Sie rennen um uns herum, erfüllen irgendeine Mission… Sie kümmern sich nicht darum, ob wir leben oder sterben. Und doch muß ich sie respektieren – sie sind Fremde. Die ersten intelligenten Wesen, auf die wir bisher gestoßen sind.«
    »Falls sie intelligent sind«, erinnerte ich ihn.
    »Komm schon, Mercer, sie müssen es sein. Sie bauen.«
    »So wie diese«, sagte ich und wedelte mit der behandschuhten Hand in Richtung des Feldes mit den zerschmetterten grünen Flaschen.
    »Ich versuche mich deutlicher auszudrücken«, sagte er verärgert. »Als ich in Mexiko war, habe ich die Nationalisten nicht verstanden. Oder die Kommunisten. Beide Seiten waren gewillt, ihre eigenen Leute zu töten oder hungern zu lassen, um nur kleine Teilziele zu erreichen. Es war krank. Ich haßte selbst jene, die wir unterstützten.«
    »Die Marsianer sind nicht menschlich«, sagte ich. »Wir können nicht erwarten, ihre Motive zu verstehen.«
    »Dann ist es doppelt schlimm, siehst du es nicht? Ich möchte verstehen, wissen warum…«
    Plötzlich schaltete er sein Radio ab, hob die Hände frustriert in die Höhe, wandte sich um und stapfte zum Lander zurück.
    Unsere automatische Unterbrechung klickte ein und Cobb sprach zu uns. »Das wär’s, Freunde. Wir sind vollständig gestört. Ich komme nicht zu Willy durch. Wir müssen uns mit dem Laser durchschlagen.«
    »Ich bin auf dem Weg zurück«, sagte Linker. »Ich helfe dir, beim Aufbau.«
    Nach einigen Minuten war ich allein auf dem Ruinenfeld. Ich saß auf einem wetterzernarbten Felsen und nahm erneut mein Skizzenbuch heraus. Ich kartierte die Richtung, aus der wir gekommen waren, und die, aus der wir angegriffen worden waren, und verglich sie mit dem Ort, wo wir die Eier gefunden hatten. Wonach ich, mit solch lächerlich schwachen Anhaltspunkten, suchte, war ein klares Muster von Wanderung – von Brutplätzen in einer Linie mit dem Sonnenaufgang. Es ergab sich nichts.
    Angewidert von meiner Verzweiflung, verlor ich mich in einem Nebel, der an Kummer grenzte, und schaute auf… und sprang so schnell hoch, daß ich gut einen Meter weit in die Luft hüpfte und beim Herunterkommen meinen Knöchel verdrehte. Zwei weiße Marsianer starrten mich mit ihren großen leeren, grauen Augen an. Die Wimpern so lang und ausdrucksvoll wie die eines Kamels. Die Finger ihrer Hände – jeder hatte drei Arme, aber lediglich zwei Beine – zitterten wie Schnurrhaare, nicht nervös, sondern nach Information suchend. Wir waren zu sehr damit beschäftigt gewesen, uns gegen sie zu wehren, bevor wir von ihren Zügen Kenntnis nahmen. Nun, da wir nicht wußten, was wir tun sollten, hatte ich alle Zeit der Welt.
    Drei lange Zehen mit Schwimmhäuten, ledern und tot aussehend wie Stöcke, mündeten in einen eigenartig zweigelenkigen Knöchel, den ich selbst jetzt noch nicht aufzeichnen könnte. Ihre Schenkel waren knotig vor Muskeln und bedeckt mit rot und weiß getupftem Fell. Sie konnten hüpfen oder rennen wie verängstigtes Wild – das wußte ich aus

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